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Die Keramikerzeugung

 

Emile Decker

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Bestehend aus vier Einheiten, Regionen oder Staaten, im Herzen Europas gelegen, wird die Großregion seit Langem als ein Territorium mit einer reichen industriellen Vergangenheit von großer Dynamik angesehen. Unter den zahlreichen Aktivitätszweigen gibt es einen, der lange Zeit ein Aushängeschild ihres Könnens war: die Keramik, und hier vor allem das Steingut.

Die Töpfer von gebranntem Ton und Steinzeug
Das Verarbeiten von Ton stellt eine althergebrachte Praxis in dieser Region dar, die ersten Keramiken, die an archäologischen Fundstellen dieser Region entdeckt wurden, sind 7 000 Jahre alt. Es handelt sich dabei um Töpfe aus gebranntem Ton.

Sei es nun in der Pfalz, im Norden Lothringens, in Luxemburg oder in Wallonien, Hunderte von frühen neolithischen Fundorten gehören zur sogenannten linearbandkeramischen Kultur oder Linearbandkeramik. Hier wurden besonders Gefäße aus gebranntem Ton hergestellt, mit Bandmustern versehen, die sich in die Tonmasse einschneiden.

Während Jahrtausenden war das Töpfern mit gebranntem Ton eine Hausarbeit, die das tägliche Leben der Bewohner eines Dorfes begleitete und den eigenen Bedürfnissen genügte. Mit der Eisenzeit wird sie zur Aktivität von spezialisierten Handwerkern. Die Technik der Herstellung auf der Töpferscheibe und das Brennen in weiterentwickelten Öfen belegen diese Evolution.

Karte: Keramikerzeugung

 

Karte: Keramikerzeugung

Emile Decker, Musée de Sarreguemines

Zur Römerzeit entstehen Werkstätten, deren Produktion fast schon industriell ist; verschiedene sehr fein und vollendet wirkende Produkte, wie etwa die Terra Sigillata mit gegossenen Reliefverzierungen, tragen sogar manchmal den Stempel der Werkstatt, aus der sie stammen. Diese Betriebsstätten beliefern die römischen Kastelle, die sich am Limes im Norden der Großregion aufreihen, deshalb lassen sie sich an großen Straßen oder Flüssen nieder, um so ihre Produkte besser vertreiben zu können.

In den Argonnen, im Norden Lothringens, im Saarland und in Rhienland-Pfalz findet man solche Niederlassungen. Zu dieser Zeit erweitert sich die Bandbreite der aus Ton gebrannten Objekte deutlich: Gefäße für den Haushalt werden hergestellt, aber auch Ziegel, Dachziegel und Rohre, die man bei Ausgrabungen von römischen Villen entdeckt.

Teller mit Chantilly-Brindilledekor, Manufaktur Mathieu Servais, Andenne, um 1810, coll. Musée national de Céramique Sèvres
Foto: © Christian Thévenin

Mit dem Niedergang des römischen Reichs verändern sich die Wirtschaft und die Gesellschaft grundlegend. Während des Hochmittelalters ist die Keramik nicht weiter das Produkt einer hochstehenden Technik; weniger Formen werden hergestellt, sie unterliegen praktisch noch bis ins 6. Jahrhundert dem Einfluss des römischen Geschirrs. Doppelkegel-Formen nehmen Überhand und lassen in der Karolingerzeit Platz für sphäroidische Formen.

Die Verzierungstechniken reduzieren sich, sie bestehen häufig aus sich wiederholenden Motiven, die mit einem Rändelrad angebracht werden. Unter den von Archäologen entdeckten Werkstätten kann man unter anderem die von Andenne und Huy « Batta » in Belgien erwähnen. Letztere sind von der Römerzeit bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts in Betrieb, danach vom 6. bis zum 8. Jahrhundert. In Rheinland-Pfalz stechen einige Standorte hervor, wie Mayen oder Speicher.

Erst am Ende des Mittelalters entwickelt sich die Technik wirklich weiter. Zu dieser Zeit macht die Ofentechnik bemerkenswerte Fortschritte: Die liegenden Töpferöfen ermöglichen es, sehr hohe Temperaturen zu erreichen. Neben dem gebrannten Ton kommt im 18. Jahrhundert das Steinzeug auf. Die Rheinregion entwickelt diese Technik dank des Vorkommens von Lehmarten, die sich zum Brennen von Steinzeug eignen. Keramik aus gebranntem Ton wird dennoch nicht aufgegeben. Mit der Zeit wird sie immer häufiger mit einer feinen glasartigen Schicht überzogen, der Glasur, die grün oder gelb eingefärbt werden kann.

Das Steingut
Ab dem Ende des Mittelalters und in der Renaissance verbreitet sich das Steingut, ein feiner gebrannter Ton, der mit weißem Email überzogen wird, welches anschließend oft mit Hilfe von bestimmten Metalloxiden verziert wird. Lange Zeit wird in der Großregion Steingut genutzt, ohne dass es wirklich hier hergestellt würde, wie die archäologischen Ausgrabungen belegen. Im 17. Jahrhundert verwüsten Kriege den Raum. Die Sterblichkeit ist sehr hoch in Lothringen und Rheinland-Pfalz, führt sogar zur Entvölkerung einiger Gebiete. Diese Zeit ist weder günstig für wirtschaftliche Aktivitäten noch für technische Neuerungen. 

Erst mit Beginn des 18. Jahrhunderts entstehen erste Herstellungszentren. Zu dieser Zeit stellt die Großregion ein politisches Mosaik dar: Ein Teil des Gebietes gehört zu den österreichischen Niederlanden, ein anderer zum Herzogtum Lothringen und weitere Teile zu deutschen Herzogtümern. Dennoch hat es durch seine Lage im Herzen Westeuropas Kontakt zu Regionen, die sich durch ihre wirtschaftliche Dynamik auszeichnen werden: Großbritannien, die Niederlande und Frankreich.

In Lothringen entstehen die meisten Steingutfabriken. Ihnen kommen gleichermaßen die politischen Bedingungen zugute, die von den Herzogen von Lothringen geschaffen werden, wie auch die Ressourcen der großen Waldbestände.

In der gesamten Region am Fuße der Vogesenwälder und im Argonnen-Wald werden kleine handwerkliche Produktionsstätten aufgebaut. Um 1708 entsteht Waly, 1712 Champigneulles, 1724 Badonviller, 1730 Lunéville, 1735 Niderviller und 1757 Saint Clément.

Begabte Handwerker reisen von einer Region zur anderen und geben die Techniken weiter. Die ästhetische Qualität der Produkte ist zu dieser Zeit noch mittelmäßig und ihre Verbreitung im Allgemeinen lokal. Doch einige Einrichtungen werden nach und nach sehr erfolgreich in der Entwicklung einer gewissen Herstellungs- und Verzierungsqualität, durch die Anwerbung von anerkannten Künstlern aus den angrenzenden Ländern oder Regionen. So erreichen Lunéville oder Saint Clément einen hohen Bekanntheitsgrad.

Das Steingut ersetzt das Metallgeschirr in den Kreisen der Aristokratie und des Großbürgertums. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden die Dekors mit Farben gemalt, die hohe Temperaturen von 900° und mehr vertragen. Die Farbpalette ist begrenzt, die Farben sind rein: Kobaltblau, Rostrot, Antimongelb, Kupferoxidgrün, Manganviolett.

Teller aus Fayence mit gemaltem Dekor, Faïencerie de Waly
coll. und © Foto:
Ville de Verdun, Musée de la Princerie  

Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ermöglichen andere Techniken den Gebrauch von sanfteren und nuancierteren Farben. Das sog. Muffelfarbendekor kann nur bei niedriger Temperatur gebrannt werden, um 750-800°. Der Rosaton, den man auf Basis von Cassiuspurpur, einem Gemisch aus Zinnchlorid und Gold erreicht, ermöglicht eine sehr feine Malarbeit.

Die dargestellten Themen verändern sich mit dem Geschmack und folgen der Evolution des Kunstgewerbes: Motive der Kunstschmiedearbeit sind typisch für die erste Hälfte des Jahrhunderts, Blumen, Vögel, Landschaften und Figuren für die zweite Hälfte. Die Exotik zeigt sich in den Verzierungen in chinesischen Mustern, wie unter anderem in den Produkten der Manufakturen von Lunéville und Islettes.

Teekanne aus Porzellan mit gemaltem deutschen Blumendekor, Manufaktur Zweibrücken
coll. und © Foto: Stadtmuseum Zweibrücken

Das Porzellan
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen einige wenige Manufakturen, die mit der Herstellung von Porzellan beginnen. Dieses Material wird als wertvoll angesehen und seine Zusammensetzung, die seit etwa einem Jahrtausend in China bekannt ist, gilt im Abendland als Geheimnis. Im sächsischen Meißen wird zu Beginn des 18. Jahrhunderts das erste harte europäische Porzellan entwickelt. Von dort aus verbreitet sich das Geheimnis nach und nach in Europa. Ab der Mitte des Jahrhunderts finden sich die ersten Porzellanproduktionen in der Großregion.

In den österreichischen Niederlanden, in der Stadt Tournai, erhält François-Joseph Peterinck Privilegien von Kaiserin Maria Theresia, um 1751 eine Porzellanmanufaktur gründen zu können.

In Rheinland-Pfalz siedelt sich eine Porzellanmanufaktur in Frankenthal an, die 1755 von Paul Hannong aus Straßburg gegründet wird. 1759 beginnt die von Jean-Louis Beyerlé aufgekaufte Steingutfabrik in Niderviller auch mit einer solchen Herstellung. Andere Einrichtungen folgen dem Beispiel, wie Ottweiler 1763 und Zweibrücken 1769.

Die meisten dieser Fabriken werden unter der Französischen Revolution leiden, die zur Exilierung der Aristokratie führt, den Hauptkunden dieser Unternehmen. Die Bewegungen der Truppen stören auch die Belieferung und den Handel.

Das erste Steingut aus weißen Tonerden
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommt auch eine andere Art der Töpferware auf: das Feinsteingut. Es zeigt Eigenschaften, die es dem Porzellan ähneln lassen: Seine Masse ist weiß, fein, sehr gut formbar. Der glasartige Überzug, der es bedeckt, ist eine Glasur, eine feine Glasschicht, die die Farbe des Scherbens durchscheinen lässt, doch es handelt sich um ein Produkt, das noch porös und nicht lichtdurchlässig ist wie das Porzellan.

Mehrere Regionen in Europa stellen schon früh diese Keramik her: England, die Pariser Region, Wallonien und Lothringen. Chambrette in Lunéville stellt 1748 offiziell das Resultat seiner Arbeiten vor; die Familie Boch stellt in Audun-le-Tiche her, dann ab 1767 in Septfontaines in Luxemburg. Seit den 1780er Jahren werden die Betriebsstätten immer zahlreicher: Lüttich eröffnet 1781, Andenne um 1784, Saargemünd 1790 und Longwy 1798.

Zwei Traditionen ergänzen sich: Die eine ist lokalen Ursprungs und verwendet tonhaltige weiße Erden, denen man Kreide, Kalk oder Fritten beimischt: Sie heißt Pfeifenton. Die zweite benutzt aus England entlehnte Mischungen und verwendet pulverisierte gebrannte Feuerstein- oder Quarzkiesel: es handelt sich dabei um die „cailloutage“.

Die anderen Steingutfabriken verwenden weiterhin Fayence mit oft sehr dickem Email, was ermöglicht, den stark roten oder ockerfarbenen Scherben zu verstecken. Die Objekte sind dann schwer und plump. Sie ähneln nicht, so wie die Pfeifentonirdenware, der Feinheit und Eleganz des Porzellans.

Am Ende des 18. Jahrhunderts setzt der Pfeifenton besondere Kenntnisse voraus und Beschaffungswege von Rohmaterialien, die nur selten vor Ort zu finden sind. Vorkommen von Tonerden, die beim Brennen weiß bleiben, sind selten.

In den berücksichtigten Gebieten gibt es zwei Abbaugebiete von Ton, der sich zur Herstellung von Pfeifentonirdenware eignet: Das eine befindet sich am Rheinufer in der Region von Koblenz oder Köln, das andere in Belgien in der Gegend um Andenne, wo der Ton „derle“ genannt wird. In diesen beiden Regionen wird der Ton aus Gruben gefördert, in denen manchmal bis Mitte des 20. Jahrhunderts Ton abgebaut wird.

Eintopfterrine, Ende 18. Jh., Septfontaines-les-Luxembourg, coll. Musée Gaumais Virton
Foto: © Eric Hanse
 

Die Keramik im Industriezeitalter
Anfang des 19. Jahrhunderts blühen die Zentren des Feinsteinguts auf, wohingegen die Fabrikanten, die an traditioneller Fayence festhalten, immer mehr Schwierigkeiten haben. Geographisch gesehen erleben zwei Regionen einen Aufschwung: Jene die an Rohstoffvorkommen gelegen sind und die, die an Brennstoffquellen liegen, zunächst an Holz und später an Kohle.

Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt es progressiv zur Industrialisierung der Keramikproduktionsstätten. Es wird sehr viel investiert, die Beschäftigung nimmt stark zu, und es wird in großen Mengen produziert, was die Gestehungskosten senkt.

Die Weiterentwicklung der Keramikindustrie ist größtenteils den Investitionen bedeutender Industriellenfamilien zu verdanken. Diese Familien sind häufig durch Verwandtschaftsverhältnisse oder durch geschäftliche Interessen untereinander verbunden. Neben den Bochs sind zu erwähnen: die Villeroys, sesshaft in Frauenberg und anschließend in Wallerfangen, die Nothombs in Longwy dann in La Louvière, die Utzschneiders und De Geigers in Saargemünd, die D’Huarts in Longwy, die Kellers in Lunéville, die Aubrys in Toul und schließlich die Dryanders in Saarbrücken, später in Niderviller.

Faïencerie Cappellemans in Jemappes Mitte des 19. Jh.
Quelle: Herten, B. 1995 : La Belgique industrielle en 1850
Briefkopf der Faïencerie Saargemünd, Anfang 20. Jh., coll. Musée de Sarreguemines
Foto: © Christian Thévenin

In der Industrie im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts benötigt man nur wenig Kapital zur Gründung eines Unternehmens. Als Räumlichkeiten werden oft bestehende Gebäude genutzt, in denen die Aktivität angesiedelt wird. Die Werkzeuge und das Produktionsmaterial sind noch begrenzt, es gibt keine oder nur sehr wenige Maschinen.

Das Kapital stammt im Allgemeinen aus dem Handel. Ein Unternehmer stellte es zusammen, indem er sich mit Freunden oder Verwandten zusammenschließt. Die Gewinne werden zum größten Teil reinvestiert und ermöglichen es so dem Betrieb, sich zu entwickeln.

Mitte des 19. Jahrhunderts ändert sich die Lage: Zur Gründung eines wettbewerbsfähigen Unternehmens wird immer mehr Kapital erforderlich, da die Einrichtungen, Maschinen und Materialien immer spezifischer und kostspieliger werden.

Die investierten Summen kommen aus dem Großhandel oder anderen Industriezweigen. Die Unternehmer wenden sich immer öfter an Geldinstitute, um ihre Einrichtungen zu finanzieren.

Am Anfang nutzen die Manufakteure meistens leerstehende Gebäude: Bauernhöfe wie in Audun-le-tiche, Wohnsiedlungen wie in Saargemünd und oft religiöse Gebäude aus Nationalbesitz wie in Longwy und Mettlach.

In der ersten Phase zählen die Unternehmen nicht mehr als rund 300 Arbeiter, es wird noch größtenteils Wasserenergie verwendet, quadratische oder rechteckige Öfen und Holz als Brennstoff; die Techniken zur Herstellung von Feinsteingut sind noch experimentell und werden geheim gehalten, für die Verzierung der Serien verwendet man einfache Vervielfältigungstechniken.

In der zweiten Phase wächst die Zahl der Arbeiter, und die Architektur der Produktionsstätten wandelt sich, denn die Organisation der Produktion ist nun nicht mehr vertikal aufgebaut wie in den Manufakturen, sondern horizontal, in der Reihenfolge der Fabrikationsvorgänge.

Auch die Herstellung wird rationalisiert: Die Aufgaben werden segmentiert und vereinfacht. Jeder Arbeiter führt eine sehr präzise und sich wiederholende Arbeit aus, die sich schnell erlernt. Der Maschinenbetrieb entwickelt sich und ermöglicht so das Bearbeiten des Rohstoffs in großem Ausmaß.

Die Dampfmaschinen halten ihren Einzug, was es den Werkstätten möglich macht, weiter entfernt von den Flüssen und sommers wie winters zu arbeiten. Steinkohle wird immer mehr als Brennstoff benutzt und ersetzt das Holz beim Brennen, die Öfen sind rund und besitzen mehrere Feuerungen nach dem englischen Modell.

Dem Kontinent voraus, dient England während all dieser Zeit als Modell. Man hat dort sehr früh weiße Tonerden von ausgezeichneter Qualität entwickelt. Wedgwood external link ist mit seiner Fabrik Etruria der bekannteste Keramikhersteller dieser Zeit. Die englischen Produkte überzeugen die Kunden auf dem Festland durch die Reinheit ihrer weißen Farbe, ihre Leichtigkeit und die Feinheit der Formen und Verzierungen.

Wenn sie einige Herstellungsgeheimnisse nicht herausfinden können, gehen die Manufakteure anders vor und lassen englische Techniker, die ihr wertvolles Know-how mitbringen, auf das Festland kommen. Einer unter ihnen ist G. Shaw, der die Geheimnisse, die er sich bei Wedgwood angeeignet hat, an Wouters in Andenne in Belgien weitergibt und ihn berät. Man weiß auch von einem Graveur namens John Leigh in Wallerfangen, und die Archive belegen eine englische Gemeinde in Saargemünd.

Die Steingutfabrikanten begnügen sich nicht damit, die Formeln und das technische Wissen zu übernehmen, sie kopieren auch die Formen und Verzierungen: Sehr viele der in den „Pattern books“, den englischen Modellbüchern, gefundenen gemalten Zierstreifen werden von den Manufakturen in Lunéville, Saint-Clément und Saargemünd in Lothringen nachgebildet.

Die wichtigsten Unternehmen lassen die kleineren Zentren verschwinden sowie jene, welche beim Publikum nicht mehr beliebte Produkte herstellen. Die Eisenbahn unterstützt den Aufschwung der Industrie, denn man kann nun einfacher und billiger die Rohstoffe und die Kohle anliefern lassen. Doch sie ermöglicht außerdem, die Produkte über größere Distanzen zu exportieren, die Märkte zu erweitern und sich neuer Konkurrenz zu stellen.

Die Bandbreite der von der Keramikindustrie angebotenen Produkte ist sehr groß. Das Tafelgeschirr macht den größten Teil der Produkte aus, die den Kunden angeboten werden. Tischgeschirr gibt es in vielen verschiedenen Verzierungen und Formen. Verschiedene Service bestehen aus mehreren hundert Stücken. Sie setzen sich aus mehreren Serien von flachen und tiefen Tellern zusammen.

 
Teller aus Feinsteingut mit gemaltem Dekor, Manufaktur Mouzin in Wasmuel, coll. Christian Leclerc, Emaux d'art de Longwy
Foto: © Christian Thévenin

Während der Mahlzeiten ist es nun in den vornehmeren Kreisen üblich, dass man bei jedem Gang einen neuen Teller verwendet oder dessen Größe an die Speisen anpasst. Um der wechselnden Zahl der Gäste gerecht zu werden, verwendet man Suppen-, Gemüse- und Salatschüsseln oder Terrinen von unterschiedlichen Größen. Es gibt immer mehr Tischzubehör, das sich bestimmten Speisen anpasst: Braten-, Spargel-, Artischockenteller ... Bis Ende des 19. Jahrhunderts erlebt man eine komplexer werdende Tischkunst: Sie erlaubt es, in der Ausgestaltung des mondänen Lebens seinen sozialen Rang und exzellenten Geschmack zu zeigen.

Die Manufakturen von Tournai in Belgien, Septfontaines in Luxemburg, Niderviller und Lunéville in Lothringen waren im 18. Jahrhundert Pioniere in diesem Bereich. Im 19. Jahrhundert tun sich besonders Saargemünd, Longwy, Mettlach und La Louvière hervor. Die Manufakturen stellen ebenfalls Dekorationsobjekte her, deren Anzahl nach 1840-1850 steigt: Vasen, Schüsseln, Kamindekorationen, Blumenkästen, Pendeluhren, zahlreiche Nippsachen und Statuetten, die zur Verschönerung der Innendekoration beitragen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ermöglicht es die Architekturkeramik den Unternehmen, ihre Produktion noch weiter zu diversifizieren.

Bodenbeläge werden um 1852 in Mettlach hergestellt und 1857 in Merzig. Sie spezialisieren sich auf Fliesen, die Mosaik imitieren, besonders nach der Entdeckung des römischen Mosaiks in Nennig im Saarland. Um 1880 beginnen Saargemünd und Longwy mit der Produktion von Wandfliesen und bieten die Möglichkeit, die Mauern der Wohnungen und Läden mit flächigen, belebten Szenen zu verzieren: Landschaften, Blumen oder Figuren in lebendigen Farben, die von einer glänzenden Glasur überzogen und veredelt werden.

Die inzwischen abgerissenen Produktionsgebäude der Manufacture royale Boch, La Louvière 2007
Foto: © Christian Thévenin

Die Krisen des zwanzigsten Jahrhunderts
In der Großregion stellt der Erste Weltkrieg einen Bruch in der Entwicklung der Keramikindustrie dar. Während des Krieges funktionieren die Fabriken nur verlangsamt: Ein Großteil der Männer befindet sich an der Front.

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wird die wirtschaftliche Lage für alle Fabriken schwierig. Die saarländischen Manufakturen fallen mehr oder weniger alle an Frankreich, wo sich von da an ihr Markt befindet. Die Konkurrenz der Mittelmeerländer wird spürbar. Die Bestellungen sind nicht mehr so umfangreich wie früher. Viele große Geschäfte und Großhändler reduzieren ihre Einkäufe. Die Krise von 1929 hat fatale Auswirkungen. Wallerfangen verschwindet 1932. Longwy durchleidet eine ernste Krise. Mettlach und Saargemünd halten Stand.

Ein großer Teil der Produktion besteht aus Geschirr für den alltäglichen Gebrauch, das mit Hilfe von Schablonen- und Spritztechniken hergestellt wurde. Doch die künstlerische Kreation erneuert sich im Laufe des Art déco. Der Zweite Weltkrieg verstärkt die Flaute. Die Evakuierung und der Krieg bringen die Fabriken zeitweise zum Stillstand. Die Bombenangriffe beschädigen die Produktionsanlagen in Saargemünd. Als eine Wiederaufnahme möglich ist, scheitert sie an den Belieferungsproblemen des Brennstoffs.

Longwy stoppt die gewöhnliche Herstellung, und eine kleinere Gruppe beschränkt sich auf die Herstellung von Luxusgütern. Mettlach stellt die Produktion von Wandfliesen ein. Auf der französischen Seite erneuern einige Betriebsstätten nach dem Krieg ihre Produktionsanlagen nicht, weil es ihnen an Kapital fehlt. Aufgrund dieser Schwierigkeiten verkaufen die Manufakturen sogar ihre Privatmuseen: Longwy 1975 und Saargemünd 1987.

Longwy meldet 1976 Konkurs an; dennoch führen in den 1980er Jahren vier Unternehmen die Emailtradition weiter. Saargemünd, das von der Gruppe Lunéville-Saint-Clément aufgekauft wurde, stellt die Herstellung von Geschirr ein, um sich der Herstellung von Bodenplatten zu widmen, doch es muss 2007 schließen.

In Deutschland findet Mettlach seinen intensiven Arbeitsrhythmus wieder und erobert die europäischen und sogar die amerikanischen Märkte. Neue Produkte sichern den Erfolg, wie das Vitroporzellan, für das talentierte Dekorateure verführerische Motive und Formen kreieren.

Ende des 20. Jahrhunderts verschwimmen die Grenzen. Das Schicksal dieser Steingutfabriken, die vor mehr als zwei Jahrhunderten an der nördlichen Grenze des Departements Moselle entstanden, entscheidet sich jetzt im europäischen Raum. Durch ihre Verbindungen hatten die Familien, die sie gegründet und verwaltet hatten, bereits die Anfänge für eine grenzüberschreitende Aktivität gesetzt und einer Form von europäischer Wirtschaft vorgegriffen.

 

Quellen


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Externe Links


industrie.lu : Faïenceries et Poteries de grès au Luxembourg external link

Musée de la Princerie, Verdun external link

Musées de Sarreguemines external link

Musée de la céramique, Andenne external link

Musée municipal des Faïences et Emaux de Longwy external link 

Musée Saint Jean l'Aigle, Herserange (Longwy) external link

Terres d'Est - Manufactures Royales Lunéville - Niderviller - Saint Clement external link