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Grenzgänger (1998-2008)
Christian Wille / Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle
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Die grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität bildet ein zentrales Merkmal der Teilarbeitsmärkte in der Großregion. Diese sind durch die intensiven Ein- und Auspendelbewegungen von Grenzgängern miteinander verflochten, und die Zahl der grenzüberschreitenden Arbeitnehmer wächst kontinuierlich an. Die Motive für das grenzüberschreitende Pendeln sind vielfältig: So geben in einer Untersuchung (Brosius 2007) bei Grenzgängern in Luxemburg 44% an, aufgrund der besseren Einkommensmöglichkeiten im Ausland zu arbeiten. Für weitere 30% bildet das Arbeitsplatzangebot den Hauptgrund für die Beschäftigung im Großherzogtum. Für ein weiteres Viertel spielen andere Gründe – etwa die Möglichkeit im gelernten Beruf arbeiten zu können oder bessere berufliche Perspektiven und Arbeitsbedingungen – eine entscheidende Rolle. Die Befragungsergebnisse, welche sich auf das Grenzgängerwesen in der Großregion insgesamt übertragen lassen, zeigen, dass die Motive von Grenzgängern auf regionalen Unterschieden in den Bereichen Vergütung und Arbeitsplatzangebot beruhen, aber auch die Arbeitszufriedenheit betreffen. |
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In nahezu keiner anderen europäischen Region pendeln so viele Arbeitnehmer über eine nationale Grenze wie in der Großregion. Auf dem Gebiet der 27 europäischen Mitgliedstaaten wurden im Jahr 2007 insgesamt 780 000 Grenzgänger gezählt (European Commission 2009), von denen über vier Fünftel in den Ländern der EU-15 wohnen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Frankreich, Deutschland, Belgien und Italien. Als Einpendler kommen sie vor allem in die Schweiz, nach Luxemburg, nach Deutschland, in die Niederlande, nach Österreich und nach Belgien an ihren Arbeitsplatz. |
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Wichtigste Wohn- und Arbeitsländer von Grenzgängern in der EU-27 im Jahr 2007 (Verteilung in %) http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/ar65/gg191/volltext-mainmenu-194#sigProId540f24eb5e Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von IBA / OIE 2009 |
Damit zählen die Länder der Großregion zu den wichtigsten Wohn- und Arbeitsgebieten von Grenzgängern in Europa, was auf eine ausgeprägte Arbeitnehmermobilität im Vier-Länder-Eck Deutschland-Frankreich-Luxemburg-Belgien verweist. Das tägliche Pendeln über nationale Grenzen wurde erst durch den Europäischen Einigungsprozess möglich, in dessen Zuge im Jahr 1971 eine einheitliche Definition des "Grenzgängers" geschaffen wurde. Nach europäischem Gemeinschaftsrecht sind alle Arbeitnehmer und Selbständige Grenzgänger, die ihre Berufstätigkeit in einem EU-Mitgliedsstaat ausüben und in einem anderen EU-Mitgliedsstaat wohnen, in den sie in der Regel täglich – jedoch mindestens einmal wöchentlich – zurückkehren (EWG Nr. 1408/71). Diese Definition gilt für den sozialen Schutz der betreffenden Arbeitnehmer. Der steuerrechtliche Grenzgängerbegriff ist restriktiver ausgerichtet und umfasst außerdem ein räumliches Kriterium, nach welchem eine Person in einer bestimmten Grenzzone wohnt und arbeitet. |
Neben der Definition, die das tägliche bzw. wöchentliche Pendeln über eine nationale Grenze ins Zentrum stellt, ist zwischen verschiedenen Grenzgängertypen zu unterscheiden, über deren quantitatives Gewicht z.T. nur sehr wenige Informationen vorliegen: Atypische / typische Grenzgänger Atypische Grenzgänger sind demnach Personen, die ihren Wohnort ins angrenzende Ausland verlagert haben, wie etwa die stetig wachsende Zahl der Luxemburger, die sich in Deutschland, Belgien und Frankreich ansiedeln oder die der Deutschen, die in Lothringen ansässig sind (IBA 2009: 69ff. und Wille / Kuntz 2006). Sie werden in einschlägiger Literatur z.T. auch als "faux frontaliers" (Cocher / Perrin 1993: 13) bezeichnet. |
Frontaliers d’adoption / natifs Virtuelle Grenzgänger Denkbar ist ebenso, dass Grenzgänger von einer luxemburger Zeitarbeitsfirma in ein Unternehmen an ihrem Wohnort entsandt werden und sie sich somit praktisch nicht mehr von Arbeitnehmern am Wohnort unterscheiden. Die Entsendungen von Zeitarbeitnehmern werden auf unternehmerische Vorteile am Standort Luxemburg zurückgeführt (Clément 2008). |
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Nur ein kleiner Teil der Pendler nutzt den ÖPNV. Triebwagen der CFL auf der Strecke Luxemburg-Trier http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/ar65/gg191/volltext-mainmenu-194#sigProIde454b2fced Foto: www.rail.lu 2002 |
Im Folgenden werden diese Kategorien zur Ausleuchtung bestimmter Entwicklungen des Grenzgängerwesens in der Großregion herangezogen, jedoch sollen die oben definitorisch gefassten typischen Grenzgänger im Zentrum stehen. Die Betrachtung des Grenzgängerwesens kann unterschiedlich erfolgen, wobei die jeweils eingenommenen Perspektiven miteinander verknüpft werden können. Zunächst können die Wohnregionen der Grenzgänger und damit das Herkunftsland betrachtet werden (living-place-perspective). |
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Straßenschilder in Schengen http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/ar65/gg191/volltext-mainmenu-194#sigProId405289d311 Foto: C. Wille 2009 |
Analog dazu kann die Arbeitsregion der Pendler in den Blick genommen werden (working-place-perspective). Beide Betrachtungsweisen sind vor allem dann relevant, wenn es sich jeweils um Regionen mit einer ausgeprägten Arbeitnehmermobilität handelt und Pendlersaldi oder Entwicklungen in den Bereichen Wohnen, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Soziales untersucht werden sollen. Die Kombination der vorgestellten Betrachtungsperspektiven, welche als place-to-place-perspective bezeichnet wird, führt zur Betrachtung der Grenzgängerströme, die sich aus statistischen Angaben der Wohn- und Arbeitsregionen ableiten. Im Folgenden soll die place-to-place-Betrachtung der grenzüberschreitenden Arbeitnehmer im Vordergrund stehen, wobei auf Schwierigkeiten hinsichtlich der statistischen Datenlage hinzuweisen ist: |
Datenquellen So geben die regionalen statistischen Ämter zwar Auskunft über die Zahl der Grenzgänger, die in die betreffende Region ein- oder auspendeln (living-place- bzw. working-place-perspective), jedoch weichen bspw. die Angaben über die Auspendler aus der betrachteten Wohnregion oftmals von denen der Einpendler der interessierenden Arbeitsregion ab. Diese Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen Nomenklatura der nationalen amtlichen Statistik oder aus unterschiedlichen Stichtagen ergeben, erfordern Transparenz und eine Entscheidung darüber, welche der verfügbaren Datenquellen zur Betrachtung von Grenzgängerströmen zu Grunde gelegt wird. |
Beschreibungsmerkmale Damit verbunden ist die Konsequenz, dass zur umfassenden Beschreibung von Entwicklungen z.T. Datenquellen aus der Wohn- und Arbeitsregion der betreffenden Grenzgänger herangezogen werden müssen. So kann bspw. das statistische Amt der Wohnregion Auskunft über die Wohnorte der Grenzgänger geben und das Amt der Arbeitsregion über ihre Arbeitsorte. Beide Informationen sollen berücksichtigt werden, auch wenn die Gesamtzahl der Pendler der betreffenden Stromrichtungen auf Basis der Quellen in der Wohn- bzw. Arbeitsregion voneinander abweicht. |
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Das erste Schengener Abkommen wurde 1985 geschlossen http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/ar65/gg191/volltext-mainmenu-194#sigProId24d38caac4 Foto: C. Wille 2009 |
Regionale Differenzierung So kommt es vor, dass die Zahl der Auspendler auf Ebene der Regionen angegeben wird, die Zahl der Einpendler in der Arbeitsregion jedoch lediglich auf nationaler Ebene. |
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Im Schengen-Raum sind die Grenzen durchlässig http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/ar65/gg191/volltext-mainmenu-194#sigProIdc29519729e Foto: C. Wille 2009 |
Es liegen beispielsweise Angaben über die Zahl der beschäftigten Wallonen in Frankreich sowie über die Zahl der beschäftigten Franzosen in Wallonien vor, jedoch sind keine Informationen über die Zahl der Grenzgänger aus Lothringen in Wallonien und umgekehrt verfügbar. Die Beschaffung von entsprechendem Datenmaterial erfordert Sonderauswertungen unter hohem organisatorischem und finanziellem Aufwand. Trotz dieser Schwierigkeiten ist es möglich, relativ lückenlos Aussagen über die wichtigsten Grenzgängerströme in der Großregion und ihre Entwicklungen in den vergangenen zehn Jahren (1998-2008) zu treffen. Die relevanten Datenquellen und die jeweils eingenommene Beschreibungsperspektive einschließlich der jeweiligen regionalen Differenzierung werden hier stets soweit erläutert, dass sie für den Leser verständlich und nachvollziehbar werden. |
Baltes-Löhr, Christel / Prüm, Agnès / Reckinger, Rachel / Wille, Christian: Alltagskulturen und Identitäten. In: IPSE (Hg.): Doing Identity in Luxemburg. Subjektive Aneigungen – institutionelle Zuschreibungen – sozio-kulturelle Milieus. Bielefeld, Transcript, 2010, S. 235-293.
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Bundesagentur für Arbeit (BA; Deutschland)
EURES - das europäische Portal zur beruflichen Mobilität
EURES Transfrontalier Pôle Européen de Développement (EURES-T PED)
EURES Transfrontalier Saarland-Lothringen-Luxemburg-Rheinland-Pfalz (EURES-T SLLR)
Inspection Générale de la Sécurité Sociale (IGSS; Luxemburg)
Institut national d'Assurance Maladie-Invalidité (INAMI; Belgien)
Institut national de la statistique et des études économiques (INSEE; Frankreich)
Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA/OIE; Großregion)
Service central de la statistique et des études économiques du Luxembourg (STATEC)