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Entwicklungen und Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion
Christian Wille
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Fast ein Drittel der Einwohner des erweiterten Europa lebt in Grenzregionen (BMVBS 2011: 9). Damit ist ein erheblicher Anteil der Europäer von den nationalen Randlagen und den daraus resultierenden Auswirkungen betroffen. Sie profitieren jedoch auch in erheblichem Ausmaß von den zentralen Meilensteilen des Europäischen Integrationsprozesses, wie etwa vom Schengen-Abkommen, Europäischen Binnenmarkt, von der Euroeinführung oder von der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Darunter werden in diesem Beitrag Kooperationsbeziehungen über nationale Grenzen hinweg verstanden ohne zunächst die Ziele, Intensität oder Akteure näher zu spezifizieren. Somit schließt der Oberbegriff internationale, interregionale und grenznachbarschaftliche Formen der Zusammenarbeit ein, die auch in der Großregion vorzufinden sind. Die Annäherung an grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfolgen. So können grenzüberschreitende Kooperationsbeziehungen aus bestimmten Notwendigkeiten heraus entstehen, etwa wenn das gemeinsame Handeln von benachbarten Grenzregionen mehr Erfolg verspricht, als das isolierte Handeln der einzelnen Akteure. Zum anderen kann die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als politisches Instrument verstanden werden, wie z.B. für den Abbau von Entwicklungsunterschieden an den EU-Binnengrenzen. |
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Saarland | Landkreise (districts) (6), Gemeinden (communes) (52) |
Lothringen | Departements (départements) (4), Beschäftigungszonen (zones d’emploi) (17), Gemeinden (communes) (2 339) |
Luxemburg | Distrikte (districts) (3), Kantone (cantons) (12), Gemeinden (communes) (116) |
Rheinland-Pfalz | Kreisfreie Städte und Landkreise (communes urbaines et régions) (36), Verbandsgemeinden (communes associées) (163), Gemeinden (communes) (2 306) |
Wallonien | Provinzen (provinces) (5), Arrondissements (arrondissements) (20), Gemeinden (communes) (262) |
Verwaltungsgliederung der Teilgebiete der Großregion Quelle: Statistische Ämter der Großregion |
Diese „horizontale Integration“ (Schmitt-Egner 2005) fördert die Europäische Kommission besonders seit Anfang der 1990er Jahre. Beide Betrachtungen von Kooperationsbeziehungen, die auch als Integration ‚von unten’ bzw. ‚von oben’ bezeichnet werden können (Groß/Wille et. al. 2006: 89), fallen oftmals zusammen. So z.B. in der Großregion, in der zunächst lokale Akteure im Zuge des Niedergangs von Kohle und Stahl grenzüberschreitende Beziehungen knüpften, die in ihrer heutigen Form von der europäischen Regionalpolitik gefördert werden um struktur- und kohäsionspolitische Ziele durchzusetzen. Die Großregion als eine der größten Grenzräume in Europa stellt mit 65 400 km² und ca. 11,3 Millionen Einwohnern 1,6% des Gebietes und 2,3% der Bevölkerung der EU 27 (IBA 2009a: 1). Dabei bildet der Kooperationsraum keine homogene Einheit, sondern – je nach Perspektive – ein Konglomerat von grenzüberschreitenden Verflechtungen oder einen Verbund von politisch-administrativ definierten Teilräumen mit ihren jeweiligen strukturellen Merkmalen. Zu den Teilräumen zählen zwei deutsche Bundesländer, eine französische Region, ein souveräner Nationalstaat und eine belgische Region mit zwei Sprachgemeinschaften. Diese heterogene Verwaltungsgliederung – die nicht unproblematisch ist für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit – differenziert sich unterhalb der regionalen Ebene weiter aus. |
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Schengen-Denkmal im luxemburgischen Mosel-Dorf Schengenhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProIda854f768eb Foto: C. Wille |
Das Saarland als ein Teilraum der Großregion weist eine bewegte und von zahlreichen Grenzverschiebungen gekennzeichnete Geschichte auf und trat erst im Jahr 1957 der Bundesrepublik Deutschland bei. Mit ca. einer Million Einwohnern auf 2 569 km² entfallen heute rund 9% der Bevölkerung und 4% der Fläche der Großregion auf das deutsche Bundesland. Damit ist die Fläche des Saarlandes kaum kleiner als die des Großherzogtums, jedoch leben hier etwa doppelt so viele Menschen. So stellt das Saarland das am dichtesten besiedelte Teilgebiet im Kooperationsraum. Bis 2030 wird hier von einem weiteren Rückgang der Bevölkerung (-4,9%) ausgegangen. Die Region Lothringen mit ihren vier Departements entstand 1960 im Zuge der Einrichtung der französischen Regionen. Mit einer Fläche von 23 547km² stellt die im nordöstlichen Frankreich gelegene Verwaltungseinheit mit Abstand das größte Territorium, jedoch wohnen hier lediglich ein Fünftel (2,3 Million Einwohner) der Gesamtbevölkerung der Großregion. Lothringen ist damit vergleichsweise dünn besiedelt; die Bevölkerungskonzentrationen sind in den urbanen Räumen und Wirtschaftszentren der Departements Meurthe-et-Moselle und Moselle auszumachen. Die größte Bevölkerungsdichte weist der Raum Thionville an der französisch-luxemburgischen Grenze auf, wo der Großteil der lothringischen Grenzgänger mit einem Arbeitsplatz in Luxemburg wohnt (INSEE 2011). Bis zum Jahr 2030 wird für Lothringen von einem weiteren Bevölkerungsrückgang (-2,7%) ausgegangen, der sich im Vergleich zu den beiden deutschen Bundesländern noch moderat ausprägt. |
Luxemburg ist das zweitkleinste Land der EU und im Kooperationsraum das einzige Teilgebiet, das einen souveränen Nationalstaat repräsentiert. Mit 476 187 Einwohnern auf einer Fläche von 2 586 km² stellt das Großherzogtum ca. 4% der Bevölkerung und der Gesamtfläche der Großregion. Die größte Bevölkerungskonzentration ist im Zentrum und im Süden des Landes auszumachen, wobei die Kantone Esch und Luxemburg-Stadt am dichtesten besiedelt sind. Hingegen wohnen vergleichsweise wenige Menschen im landwirtschaftlich geprägten Norden des Landes. Besonders hervorzuheben ist der hohe Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung (42,5%), der auf die Einwanderungswellen der 1920er, 1950er und 1970er Jahre und auf den anhaltenden Zustrom von Hochqualifizierten – auch aus der Großregion – zurückgeht (Pauly 2010). Bis zum Jahr 2030 wird in Luxemburg ein deutlicher Anstieg der Bevölkerungszahlen (+17,3%) erwartet, der auf Zuwanderung und günstigen Geburtenraten gründen soll. Bereits im Jahr 2011 zählt Luxemburg über 512.000 Einwohner (Statec 2011). Das Bundesland Rheinland-Pfalz zählt über vier Millionen Einwohner auf einer Fläche von 19 853 km² und ist somit das bevölkerungsreichste Teilgebiet mit dem zweitgrößten Territorium im Kooperationsraum. Die höchste Bevölkerungsdichte weisen die Städte Ludwigshafen und Mainz auf. Bis zum Jahr 2030 wird von einem weiteren Rückgang (-8,1%) der Bevölkerung ausgegangen. |
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Sozio-ökonomische Kennziffern zur Großregion 2006/2008http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProIdca48689893 Eigene Zusammenstellung auf Basis von 1) AG der Statistischen Ämter 2008; 2) IBA 2009a; 3) Eigene Berechnungen; 4) IBA 2009b; * Kaufkraftstandard |
Das südbelgische Wallonien ist eine der drei Regionen des belgischen Königsreichs, und ihr Territorium erstreckt sich über die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und über den Großteil der Französischen Gemeinschaft Belgiens. Mit ca. 3,5 Millionen Einwohnern stellt Wallonien auf 16 844 km² rund 30% der Bevölkerung und ein Viertel der Gesamtfläche der Großregion. Die Ballungsräume befinden sich vor allem im Norden Walloniens, insbesondere um die Wirtschaftszentren Charleroi und Liège. Weitaus ländlicher strukturiert ist der dünn besiedelte Süden. Bis zum Jahr 2030 wird in Wallonien ein Anstieg (+6,4%) der Bevölkerungszahlen erwartet. Die Großregion, die der GR-Atlas umfassend vorstellt, weist je Teilgebiet unterschiedliche Strukturmerkmale auf. Um konvergente Entwicklungen bzw. eine gewisse sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Integration der Teilgebiete zu erreichen, finden auf unterschiedlichen Ebenen grenzüberschreitende Initiativen und Projekte statt. Eine erschöpfende Übersicht zu den Themen der Zusammenarbeit ist kaum möglich, da seit Jahrzehnten in nahezu allen Politikbereichen grenzüberschreitend kooperiert wird. Vor diesem Hintergrund haben sich in der Großregion zum Teil in Europa einzigartige Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entwickelt. |
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Anlegestelle der „Princesse Marie-Astrid“ in Schengen, auf der 1985 das Schengener Abkommen unterzeichnet wurdehttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId15416ee1a0 Foto: C. Wille |
Kooperationspraxis Dementsprechend sind die Partner der Großregion auf ein bereitwilliges Aushandeln von regionalen Interessen angewiesen, die auch im Einflussbereich von nationalen Politiken stehen. Somit müssen gemeinsam Lösungen für lokale bzw. regionale Handlungserfordernisse entwickelt und diese an die jeweiligen politisch-administrativen Kontexte rückgebunden werden (BMVBS 2011: 46). Diese Aufgabe stellt die Zusammenarbeit immer wieder auf die Probe. Zwar genießt die grenzüberschreitende Kooperation einen gewissen strategischen und politischen Stellenwert in den beteiligten Partneradministrationen, gleichwohl bleibt ihre Verankerung in den jeweiligen Fachabteilungen entwicklungsfähig. Häufig bildet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine an Projekterfordernissen orientierte Einzelaktivität oder eine mehr oder weniger ‚mitlaufende’ Querschnittsaufgabe im administrativen Tagesgeschäft einzelner Fachreferenten. Eine Untersuchung der Staatskanzlei des Saarlandes zeigt, dass im Jahr 2000 mehr als 100 Personen der regionalen Exekutiven, Kammern und Verbände mit Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit befasst waren (Niedermeyer/Moll 2007: 303); davon vermutlich nur die wenigsten hauptamtlich. |
Eine auf diesem Gebiet beispiellose Initiative, welche die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu einem eigenen Politikfeld erklärt, ging im Jahr 2009 von der Luxemburgischen Regierung aus. Im Zuge der nationalen Wahlen wurde hier das „Ministère de l’intérieur et à la Grande Région“ eingerichtet, das die grenzüberschreitende Beziehungen zu den Nachbarregionen – insbesondere im Bereich der Raumordnung – stärken soll. Der zuständige Staatsminister kommentierte sein neues Ressort in einem Zeitungsartikel: „Faire de la Grande Région une compétence ministérielle est un geste fort pour montrer qu’elle revêt de plus en plus d’importance. Et que nous avons besoin d’elle autant qu’elle a besoin de nous“ (o.A. 2009). Ein weiteres Merkmal der Zusammenarbeit bzw. der relevanten „Kommunikationsarenen“ (Thiel/Lorig 2008: 364) bildet die Vielzahl und Heterogenität der beteiligten Akteure. Diese leitet sich aus der oben erläuterten Verwaltungsgliederung ab, die – vor dem Hintergrund der jeweiligen nationalen Kontexte – eine unterschiedliche Verteilung von Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen mit sich bringt. |
Dies hat zur Folge, dass die für die Zusammenarbeit geeigneten Partner oftmals zunächst nicht an einem gemeinsamen Tisch sitzen bzw. erst identifiziert müssen. So können wichtige Entscheidungen zum Teil nicht getroffen werden oder sich erheblich verzögern und die Zahl der Akteure, die in der Regel unterschiedliche Verwaltungsebenen repräsentieren, vervielfacht sich. Dies zeigt anschaulich das Beispiel der Kompetenzverteilung für räumliche Planungsprozesse in der Großregion, das die Zugehörigkeit der Partner zum Gipfel der Großregion berücksichtigt. Demnach müssen im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit die geeigneten Partner zusammengebracht und die daraus resultierenden Beziehungen zwischen den Akteuren und beteiligten administrativen Ebenen koordiniert werden. Diese Mehr-Ebenen-Kooperation, die institutionelle Kontexte unterschiedlicher Länder anlassbezogen oder dauerhaft miteinander vernetzt, ist unumgänglich, da die Steuerungsgremien der Großregion über keine autonomen Kompetenzen verfügen. Mit dieser sog. „multilevel governance“ verknüpft sind spezifische Handlungserfordernisse (Benz 2006; Groß/Wille et. al. 2006: 76ff.; ESPON & Universität Luxemburg 2010: 69f.), welche die politischen Akteure in der Großregion – nach eigenen Angaben – beispielgebend bewältigen. So heißt es in der jüngsten Erklärung des Gipfels: „Die Großregion ist eine wettbewerbsfähige europäische Modellregion für grenzüberschreitende „multilevel governance““ (Präsidentschaft des 12. Gipfels 2011: 1). |
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Akteure und Kompetenzverteilung für räumliche Planungsprozesse in der Großregionhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId9f27320f7b Quelle: ESPON & Universität Luxemburg 2010: 69 (leicht verändert). |
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Europaplatz in Schengenhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId850090c612 Foto: C. Wille |
Rechtliche Rahmenbedingungen Madrider Abkommen (1980) Die Vertragspflichten sind einem Rahmenabkommen entsprechend allgemein formuliert; von praktischer Bedeutung ist der zweite Teil des Vertragswerks. Er enthält elf Mustervereinbarungen, die zur Ausarbeitung zwischenstaatlicher Verträge der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dienen sollen. |
Deutsch-französisch-luxemburgischer Notenaustausch (1980) |
Karlsruher Übereinkommen (1996) Europäischer Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (2006) Es ermöglicht die Gründung grenzüberschreitender Zweckverbände ohne vorherige Unterzeichnung eines internationalen Abkommens durch die beteiligten Staaten. Der Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) repräsentiert eine eigene Rechtspersönlichkeit gemäß des gültigen Rechts des Landes, in dem er seinen Sitz hat. Er ist auf Basis eines eigenen Haushalts geschäftsfähig, stellt eigenes Personal ein und ihm können Hoheitsrechte übertragen werden. Der erste EVTZ in Europa wurde 2008 gegründet, in dem die Städte Lille, Kortrijk, Tournai unter einem Dach als Eurometropole zusammenarbeiten. Neben diesen Eckpunkten des rechtlichen Rahmens für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sind ferner die Meilensteine des europäischen Integrationsprozesses zu berücksichtigen, welche die Kooperationsbeziehungen intensivieren und erleichtern (z.B. Personenfreizügigkeit, Binnenmarkt, gemeinsame Währung usw.). Darüber hinaus erleichtern Anpassungen des nationalen Verfassungs- und Verwaltungsrecht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, so z.B. die Änderungen des deutschen Grundgesetzes vom 23.5.1949 durch ein Gesetz vom 21.12.1992. |
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Förderlinien im Rahmen der Interreg-Programme:
http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProIdbd8fb59654
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Förderlinie A im Rahmen von Interreg II und III in der Großregion nach Programmgebietenhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId6f0bd8e90d Eigene Zusammenstellung auf Basis von Niedermeyer/Moll 2007: 305; OP 2007: 11 |
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Brunnen auf der Place de l'Europe in Grosbliederstroffhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId078f8a781c Foto: C. Wille |
Danach konnten Bundesländer bereits vor dem Karlsruher Übereinkommen mit Zustimmung der Bundesregierung teilweise Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen. Zusätzlich hat das Saarland durch das Gesetz vom 26.2.1992 als erstes Bundesland neben den grenzüberschreitenden Beziehungen auch den europäischen Gedanken in seine Verfassung aufgenommen: „Das Saarland fördert die europäische Einigung und tritt für die Beteiligung eigenständiger Regionen an der Willensbildung der europäischen Gemeinschaften und des vereinten Europas ein. Es arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt grenzüberschreitende Beziehungen zwischen benachbarten Gebietskörperschaften und Einrichtungen“ (Verfassung des Saarlandes vom 15.12.1947, Artikel 60, Abs. 2.). Auch in Frankreich wurde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit durch die Anpassung des nationalen Verfassungs- und Verwaltungsrechts erleichtert. So z.B. durch das Gesetz über die territoriale Verwaltung der Französischen Republik vom 6.2.1992 (Gesetz Joxe/Marchand), das damals französischen Gemeinden, Gemeindeverbänden, Departements und Regionen bestimmte Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ermöglichte (Schmitt-Egner 2005: 190). |
Finanzielle Förderung durch die EU Durch den geplanten Abbau der Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen im Zuge des EG-Binnenmarktes wuchs auf europäischer Ebene jedoch das Bewusstsein für die Bedeutung von Grenzregionen und ihrer Kooperationsbeziehungen. So wurde mit der Reform der EU-Strukturfonds (1988) die Europäische Struktur- und Kohäsionspolitik im Sinne der heutigen Europäischen Regionalpolitik etabliert und eine für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wegweisende Maßnahme entwickelt. |
Die aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanzierte Gemeinschaftsinitiative Interreg ermöglichte es, Grenzregionen nun stärker in nationale Entscheidungsprozesse einzubinden und Kooperationen sowie räumliche Kontinuitäten über nationale Grenzen hinweg finanziell zu fördern und nachhaltig zu entwickeln. Mit Interreg und seinen Fördermodalitäten wurden verschiedene Grundprinzipen für die projektorientierte Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Behörden der Mitgliedstaaten und der Projektpartner festgelegt: Prioritäre Handlungsziele wurden definiert, das Partnerschaftsprinzip eingeführt und die Konvergenz der Förderstrategien mit den Politiken der Mitgliedstaaten zur Bedingung gemacht. Ferner ist mit Interreg bis heute das Kofinanzierungsprinzip verbunden, nach welchem die geförderten Maßnahmen in der Regel zur Hälfte aus EFRE-Mitteln und zur Hälfte aus nationalen öffentlichen und/oder privaten Mitteln kofinanziert werden. (BMVBS 2011: 92f.) So wurden in den letzten zwanzig Jahren vier Interreg-Programme aufgelegt, die eine ausgewogene Entwicklung auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zwischen den europäischen Regionen zum Ziel hatten. Die unterstützten Aktivitäten beziehen sich auf Kooperationen im Rahmen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit (Förderlinie A), transnationalen Zusammenarbeit (Förderlinie B) und interregionalen Zusammenarbeit (Förderlinie C). Im Rahmen der Förderlinie A wurden in der Großregion drei Programmgebiete eingerichtet: DeLor (Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg), DeLux (Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg) und WLL (Wallonien, Lothringen, Luxemburg). Im Zuge der ersten Interreg-Generation (1991-1993) wurden hier ca. 40 Projekte mit einem Finanzvolumen von insgesamt 46 Millionen DM durchgeführt (Niedermeyer/Moll 2007: 305). Während der zweiten Interreg-Förderung (1994-1999) wurden 151 Millionen EUR für grenzübergreifende Projekte verwendet, davon 65 Millionen EUR aus EFRE-Mitteln. In der dritten Interreg-Phase (2000-2006) konnten erstmalig Projekte durchgeführt werden, die das gesamte Gebiet der Großregion – und nicht nur einzelne Programmgebiete – abdeckten. |
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Durch Interreg II kofinanziertes grenzüberschreitendes Projekthttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProIdfa379849ac Foto: C. Wille
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Projekte und EFRE-Finanzierung im Rahmen des Programms Interreg IVA Großregion 2007-2013 (Stand: Januar 2011)http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId40e486fd91 Quelle: Präsidentschaft des 12. Gipfels 2011: 6f. |
Diese Möglichkeit eröffnete die regionale Rahmenmaßnahme e-Based Inter Regional Development (e-BIRD) der Förderlinie C für zwanzig Projekte in den Bereichen sozioökonomische und räumliche Entwicklung (10), Kultur und Wissen (4) sowie Bildung und Forschung (6) (Région wallonne 2007). Für die vierte Interreg-Förderphase (2007-2013) wurde die ehemalige Gemeinschaftsinitiative als „Ziel 3 – Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ innerhalb der europäischen Strukturpolitik fest verankert und somit als europäisches Mainstreamprogramm wesentlich aufgewertet (BMVBS 2011: 93). In diesem Zuge haben die politischen Verantwortlichen der Großregion das „Programm zur Europäischen territorialen Zusammenarbeit 2007-2013 Großregion“ (OP 2007) vorgelegt, das ein Budget von insgesamt 212 Millionen Euro umfasst (davon die Hälfte EFRE-Mittel). |
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Luxemburgisch-deutsche Grenzehttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/po60/gr799/volltext-mainmenu-800#sigProId49176b1262 Foto: C. Wille |
In diesem Rahmen werden Projekte durchgeführt, die sich in die thematischen Schwerpunkte Wirtschaft, Raum, Menschen einschreiben und – wie bereits in der regionalen Rahmenmaßnahme e-BIRD – das gesamte Gebiet der Großregion betreffen, gleichwohl die ehemalige Interreg-Förderkulisse zur Durchführung sog. ortsnaher Projekte erhalten blieb. Ferner wurde die Verwaltung der europäischen Fördermittel auf eine neue Grundlage gestellt, die seit 1. April 2010 im Rahmen des europaweit ersten EVTZ Interreg stattfindet und elf Partnerbehörden vereint (Präsidentschaft des 12. Gipfels 2011: 5f.). Nach dem kursorischen Überblick über die Teilgebiete der Großregion und die Praxis der Zusammenarbeit mit ihren rechtlichen und finanziellen Bedingungen wird im Folgenden die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und ihrer Kooperationsstrukturen näher vorgestellt. Die Betrachtungen erfolgen chronologisch und nach verschiedenen Akteursebenen. |
7. Gipfel der Großregion: Zukunftsbild 2020 für den interregionalen Kooperationsraum Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonische Region, Französische Gemeinschaft und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Staatskanzlei des Saarlandes, 2003.
Arbeitsgemeinschaft der Statistischen Ämter (2008) (Hg.): Statistische Kurzinformationen.
Benz, Arthur (2006): Governance im Mehrebenensystem. In: Schuppert, Gunnar Folke (Hg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien. Baden-Baden, Nomos, S. 95-120.
Bierbaum, Heinz / Kuntz, Lothar (2009): Die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle der Großregion IBA. Ein Beispiel gelungener grenzüberschreitender Zusammenarbeit in der Großregion. In: Rampeltshammer, Luitpold / Kurtz, Hans Peter (Hg.): Europakompetenz. Europakompetenz entwickeln – Interregionskompetenz stärken. Saarbrücken, Verlag Alma Mater, S. 181-196.
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (2011): Metropolitane Grenzregionen. Abschlussbericht des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) „Überregionale Partnerschaften in grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen“. Bonn.
Direction générale des Rélations extérieures du Ministère de la Région wallonne (Région wallonne) (2007) (Hg.): Umsetzungen und Perspektiven 2007. INTERREG IIIC e-BIRD.
ESPON & Universität Luxemburg (2010): Metroborder. Grenzüberschreitende polyzentrische Metropolregion. Zielgerichtete Analysen 2013/2/3. Luxemburg, Projektabschlussbericht.
Groß, Bernd / Wille, Christian / Gengler, Claude / Thull, Patrick (2006): SaarLorLux von A – Z. Handbuch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion. (Denkart Europa. Schriften zur europäischen Politik, Wirtschaft und Kultur, Bd. 3), Baden-Baden, Nomos.
Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) (2009a) (Hg.): Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Großregion. Saarbrücken.
Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) (2009b) (Hg.): Die Arbeitsmarktsituation in der Großregion. (6. Bericht an den Gipfel der Großregion). Saarbrücken.
INSEE (2011): Nord lorrain: rebond démographique tiré par la dynamique luxembourgeoise. INSEE Économie, Nr. 257, Nancy.
Kohlisch, Thomas (2008): Regional Governance in europäischen Grenzregionen. Eine empirische Analyse der transnationalen Verbünde Großregion/Grande Région und Oder-Partnerschaft/Partnerstwo-Odra. Berlin, LIT Verlag.
Le Gouvernement du Grand-Duché du Luxembourg (2009): 11. Gipfel der Großregion. Gemeinsame Erklärung. Luxemburg, 17. Juli 2009.
Lehners, Jean-Paul (1996): Menschen über Grenzen - Grenzen über Menschen. Zu den Begriffen Region, Raum und Grenze am Beispiel des Saar-Lor-Lux-Raumes. In: Dülmen, Richard van / Klimmt, Reinhard (Hg.): Regionales Prisma der Vergangenheit. Perspektiven der modernen Regionalgeschichte (19./20. Jahrhundert). St. Ingbert, Röhrig, S. 67-86.
Moll, Peter / Niedermeyer, Martin (2008): Das „Zukunftsbild 2020“: Leitlinien und Perspektiven der grenzüberschreitenden Kooperation in der Großregion SaarLorLux. In: Lorig, Wolfgang H. / Hirsch, Mario (Hg.): Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung. Wiesbaden, VS Verlag, S. 344-363.
Niedermeyer, Martin / Moll, Peter (2007): SaarLorLux - vom Montandreieck zur "Großregion". Chancen und Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Regionalpolitik in Europa. In: Dörrenbächer, Peter H. / Kühne, Olaf / Wagner, Juan (Hg.): 50 Jahre Saarland im Wandel. Saarbrücken, Institut für Landeskunde im Saarland, S. 297-321.
o.A. (2009): „Je suis la diplomatie de la Grande Région“. L’essentiel, 30.06.2009, S. 6.
Pauly, Michel (2010) (Hg.): ASTI 30+. 30 ans de migrations, 30 ans de recherches, 30 ans d’engagements. Luxembourg, Editions Guy Binsfeld.
Pauly, Michel (2009): Eine geschichtslose Region. In: Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur in Luxemburg (Themenschwerpunkt: Großregion). Nr. 288, S. 27-29.
Präsidentschaft des 12. Gipfels (2011): Gemeinsame Erklärung des 12. Gipfels der Großregion. 24.01.2011, Saarbrücken/Völklingen.
Saarland – Lothringen – Luxemburg – Rheinland-Pfalz – Wallonien (OP) (2007) (Hg.): Operationelles Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit „Großregion“. Europäische Territoriale Zusammenarbeit 2007-2013.
Verfassung des Saarlandes vom 15.12.1947.
Schmitt-Egner, Peter (2005): Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung. (Regionalisierung in Europa, Bd. 4), Wiesbaden, VS Verlag.
Schulz, Christian (1997): Saar-Lor-Lux. Die Bedeutung der lokalen grenzüberschreitenden Kooperation für den europäischen Integrationsprozeß. In: Europa Regional. Nr. 2 (5. Jg.), S. 35-43.
Statec (2011): Statnews – informations statistiques récentes. Nr. 14, Luxemburg.
Thiel, Simone M. / Lorig, Wolfgang H. (2008): Luxemburg und die Großregion SaarLorLux. In: Ders. / Hirsch, Mario (Hg.): Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung. Wiesbaden, VS Verlag, S. 364-379.
Wittenbrock, Rolf (2010): Les débuts de la coopération transfrontalière dans la Grande Région Saar-Lor-lux (1962-1981). In: Wassenberg, Birte (Hg.): Vivre et penser la coopération transfrontalière: les régions frontalières françaises. Stuttgart, Franz Steiner, S. 117-133.
Abkürzungen
EVTZ – Europäischer Verbund für Territoriale Zusammenarbeit
EFRE – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
EU – Europäische Union
k.A. – keine Angabe
e-BIRD – e-Based Inter Regional Development
Bekanntmachung der Vereinbarung zwischen der Regierung des Königreichs Belgien mit der Wallonischen Region, der Französischen Gemeinschaft und der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Frankreich und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über die Zusammenarbeit in den Grenzregionen vom 19. März 2010