Das grenzübergreifende Angebot im Einzelhandel

 

Guénaël Devillet, Mathieu Jaspard, Juan Vazquez Parras

      Sources Liens

Volltext


Die Karte umfasst die Gesamtheit der kommerziellen Ballungszentren des Untersuchungsgebiets. Ein kommerzielles Ballungszentrum ist eine räumliche Konzentration von Geschäften in einem begrenzten Raum (eine oder mehrere Straßen oder z.B. ein Stadtviertel).

Die Anforderungen an ein Ballungszentrum sind durch objektive und quantitative Kriterien definiert, wie die Größe (Anzahl der Geschäfte und/oder Nettoverkaufsfläche), die räumliche Konzentration (Anzahl der Geschäfte je Entfernungseinheit) und/oder das Einzugsgebiet (angezogene Bevölkerung).

Im Rahmen dieser Studie wurden nur diejenigen Ballungszentren zurückbehalten, die eine Nettoverkaufsfläche von etwa 10 000 m² überschreiten. Jedes dieser kommerziellen Ballungszentren ist mit den folgenden Informationen versehen:

  • ein Identifizierungscode, ein Name und das Land des Standorts,
  • die Nettoverkaufsfläche
  • die Gesamtanzahl der Geschäfte
  • die mittlere Größe der Geschäfte
  • das Einzugsgebiet.

Karte: Das grenzübergreifende Angebot im Einzelhandel

Carte : L’offre transfrontalière en commerce de détail

Guénaël Devillet, Mathieu Jaspard, Juan Vazquez Parras, Université de Liège

Das Einzugsgebiet ist die Fähigkeit eines kommerziellen Ballungszentrums, eine mehr oder weniger bedeutende Anzahl von Kunden aus einem definierten Raum anzuziehen. Diese Fähigkeit ist insbesondere abhängig von der Größe und Struktur des Ballungszentrums, aber auch von seinen Geschäften und den vorhandenen Verkaufskonzepten. Man kann in Abhängigkeit vom Einzugsgebiet drei Typen kommerzieller Ballungszentren unterscheiden:

  • lokale Zentren, die normalerweise dem kurzfristigen Bedarf (Nahrungsmittel, Dienstleistungen, Nahversorgungsläden…) einer nahen Kundschaft aus einem sehr begrenzten Raum dienen (generell bis zu 5 Autominuten);
  • supralokale Zentren, deren Angebot ausreichend bedeutend bzw. diversifiziert ist, um eine große Zahl von Kunden aus einer den Ort bzw. die Gemeinde überschreitenden Zone anzuziehen (generell 5 bis 20 Autominuten);
  • regionale Zentren, insbesondere die großen Innenstädte oder große Spezialgeschäfte, die mit ihrem bedeutenden Angebot und dem Vorhandensein spezieller Geschäfte und außergewöhnlicher Verkaufskonzepte ein großes Kundenpotenzial in einem weiten Einzugsbereich (oft zwischen 30 und 60 Autominuten) anziehen können.

Baumarkt Leroy Merlin in Forbach
Foto: Hanel 2009

Schließlich wird die Nettoverkaufsfläche zur besseren Veranschaulichung nach einzelnen Sektoren aufgegliedert:

  • Lebensmittel (Supermarkt, Lebensmittelgeschäft, Fleischerei...),
  • Persönlicher Bedarf (Kleidung, Schuhe, Zubehör…),
  • Einrichtungsbedarf (Möbel, Baumaterial, Heimwerkerbedarf, Dekoration...),
  • Sport und Freizeitbedarf (Sport, Kultur, Freizeit...),
  • Gastronomie, Hotellerie (Horeca),
  • Kommerzielle Dienstleistungen (Bank, Friseur, Sporthalle…).
Erhebungsmethode und Erhebungsphasen
Die Datenerfassung geschah im Rahmen von Erhebungen vor Ort. Alle Geschäfte der Straßen der einzelnen kommerziellen Ballungszentren des Untersuchungsgebiets wurden systematisch erfasst. Für jedes Geschäft wurde eine Reihe von Informationen erhoben (Name des Geschäfts, Adresse, Art des kommerziellen Angebots, Verkaufsfläche …), die nach der Verarbeitung zusammengefasst werden können, um quantitative Informationen für das gesamte kommerzielle Ballungszentrum geben zu können.

Die Datenbank wurde auf der Grundlage von drei Erhebungen angelegt:

  • die erste fand statt im März 2010 und betraf Luxemburg (außer dem Norden) sowie Nord-Lothringen und die Stadt Trier,
  • die zweite fand statt im Februar 2011 und betraf die belgischen Ballungszentren,
  • die dritte fand statt im April 2012 und deckte den restlichen Raum Luxemburgs (Norden), Deutschlands (Agglomerationen Saarbrücken und Bitburg) sowie Frankreichs ab.

Räumliche Organisation
Insgesamt gesehen konzentriert sich das kommerzielle Angebot des Untersuchungsgebiets primär in der Nähe der großen städtischen Agglomerationen (Luxemburg-Stadt, Longwy, Arlon, Saarbrücken…), entweder in zentraler Lage (traditionelle Stadtzentren) oder in peripherer Lage entlang der wichtigsten Straßenverkehrsachsen.

Bei genauerer Betrachtung und feinerer Analyse der Verteilung ist es darüber hinaus möglich, die unterschiedliche Stadtplanungspolitik in den vier betroffenen Ländern herauszuarbeiten. Diese Unterschiede führen in jedem Land zu zu eigenen Modellen und Formen des Einzelhandels.

Während Belgien und das Großherzogtum Luxemburg durch eine Vielzahl kleiner und mittlerer Geschäfte charakterisiert sind, die den größten Teil der großen Verkehrsachsen abdecken, konzentriert sich in Deutschland der Handel an einzelnen privilegierten Stellen, eine periphere Zone für den Handel mit schwergewichtigen Produkten und ein oder mehrere Stadtzentren für den Rest der Handelsaktivitäten.

Einkaufszentrum Laangwiss II, Junglinster, Luxemburg
Foto: Hanel 2009

In Frankreich gibt es einerseits die Entwicklung großflächiger Einzelhandelsstandorte an einigen privilegierten Stellen (neue Geschäftszentren oder Erweiterungen bestehender Zentren) und auf der anderen Seite eine nicht zu unterschätzende Zahl kleiner Geschäftszentren verbunden mit einem dichten Netz großflächiger Einkaufszentren (Hypermarchés).

Das Untersuchungsgebiet kann in 4 große Räume aufgeteilt werden, die im Wesentlichen mit den großen Agglomerationsräumen übereinstimmen.

Der erste Raum ist die Agglomeration Luxemburg-Stadt, die sich strukturiert um ein zentrales Primärzentrum, um das herum sich entlang der großen Einfallstraßen neun periphere Sekundärzentren entwickelt haben. Diese zehn Zentren umfassen etwa 1 150 Geschäfte mit einer Nettoverkaufsfläche von fast 300 000 m².

Auf die Stadtmitte von Luxemburg entfallen fast zwei Drittel dieser Geschäfte (bei lediglich einem Viertel der gesamten Verkaufsfläche), darunter eine große Zahl von Luxusgeschäften (was innerhalb des Untersuchungsgebiets einzigartig ist). Die Spezialisierung liegt dabei auf Produkten des persönlichen Bedarfs und der Gastronomie/Hotellerie.

Möbelfundgrube Trier, 14 000 m²
Foto: Hanel 2009

Die neun anderen Zentren unterscheiden sich nach ihrer Größe (von 30 000 m² für den Kirchberg bis 10 000 m² für Capellen-Miwwel), nach ihrer Art (vom breiten Angebot wie Luxemburg Nord bis zur Spezialisierung wie Leudelange), oder noch einmal nach ihrem Format (von der klassischen Handelszone wie Bourmitch bis hin zur Shopping-Mall wie La Belle-Étoile).

Grundsätzlich erscheint das kommerzielle Angebot dieses Raums als üppig insbesondere im Vergleich zur Größe der Agglomeration.

Tatsächlich zeugt es von der Existenz einer starken Kaufkraft, verbunden mit einer Kombination begünstigender Faktoren, darunter das lokale demographische Potenzial, die wirtschaftliche Dynamik Luxemburgs sowie das mit der Beschäftigung und der hohen Kaufkraft sowohl der Einheimischen wie auch der Grenzgänger verbundene Potenzial.

Der zweite Raum ist das Lothringer Industriebecken, das sich von Thionville bis Metz erstreckt. Es belegt den zweiten Rang bezüglich der Konzentration des Einzelhandels (fast 1 600 Geschäfte mit einer Nettoverkaufsfläche von fast 475 000 m²). Die großen Einzelhandelseinrichtungen konzentrieren sich primär entlang der Autobahn A31 sowie im Zentrum der beiden bedeutendsten Städte. Die Vielzahl von Einzelhandelszentren entlang der A31 ist hauptsächlich bedingt durch das Vorhandensein eines dichten Netzes von Hypermarchés, einem von den Franzosen noch sehr geschätzten Einzelhandelskonzept.

Zwischen Thionville und dem Norden der Agglomeration wechseln sich nicht weniger als sieben Einkaufszentren von mehr als 10 000 m² Verkaufsfläche ab (3 Leclerc, 2 Auchan, 1 Carrefour und 1 Cora). Praktisch jede Autobahnausfahrt ist mit einem Geschäftszentrum dieses Typs ausgestattet. Abgesehen von einigen Zentren wie Le Linkling, Talange, Sémecourt, La Maxe bzw. der Stadtmitte von Metz, die dank der Vielfalt ihres Angebots und der Besonderheit mancher Geschäfte und Konzepte Kunden aus einem weiteren Einzugsbereich anziehen können, richtet sich das Einzelhandelsangebot primär an die Wohnbevölkerung dieser großen verstädterten Zone.

Der dritte Raum ist das Industriebecken der Saar, ein Tal, das sich von Saarbrücken bis Saarlouis erstreckt. In diesem Raum liegt die größte Einzelhandelskonzentration im gesamten Untersuchungsgebiet vor (mehr als 1 700 Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von knapp 500 000 m²). Saarbrücken ist die wichtigste Stadt dieses Gebiets (die Stadt bietet rund 1 000 Geschäfte mit annähernd 150 000 m² Verkaufsfläche) und bildet gemeinsam mit einem ihrer Peripherzentren (Saarbrücken Ost) ein Geschäftszentrum mit regionalem Einzugsgebiet.

Das Industriebecken der Saar ist repräsentativ für die deutsche Stadtplanung, insofern als um zwei große Innenstädte (Saarbrücken und Saarlouis) herum in peripherer Lage Geschäftszentren liegen, die auf Einrichtungsbedarf spezialisiert sind (im Gegensatz zu den Innenstädten, die ihren Schwerpunkt bei den Waren des persönlichen Bedarfs behalten).

Es muss festgehalten werden, dass das Industriebecken der Saar sich mit den Einzelhandelszonen von Creutzwald, Freyming-Merlebach und Morsbach-Forbach grenzüberschreitend bis nach Frankreich erstreckt. Letztere entstanden jeweils um einen Hypermarché (2 Leclerc und 1 Cora) und bieten logischerwiese die Gelegenheit, deutsche Kundschaft anzuziehen.

Baumarkt Hornbach in Saarbrücken
Foto: © Helfer 2009

Die vierte und letzte Zone unterscheidet sich von den drei ersten, da es sich um ein Ensemble mehrerer eher begrenzter Agglomerationen handelt. Der Raum entspricht dem Dreieck "Longwy-Esch-Arlon" und ist der einzige, der sich über drei Länder erstreckt, aber auch der einzige, der keine wirkliche Zentralität aufweist, was sich durch eine Vielzahl von Einzelhandelszentren mittlerer Größe darstellt.

Insgesamt handelt es sich um fast 900 Geschäfte mit knapp 350 000 m² Nettoverkaufsfläche in diesem Dreieck. Neben den Stadtzentren von Esch, Arlon und Longwy umfasst dieser Raum neun in jüngerer Zeit entstandene, aus großflächigen Geschäften bestehende Einzelhandelszentren, die oft in Gewerbegebieten oder -parks angelegt sind. Dieser Raum ist vor allem interessant, da er aus funktionaler Sicht zwei Typen von Geschäftszentren umfasst, deren Lokalisierung einer unterschiedlichen Logik folgt:

IKEA Arlon, Möbel- und Einrichtungshaus im unmittelbaren belgisch-luxemburgischen Grenzraum, 12 000 m²
Foto: © Helfer 2009

  • Die Geschäftszentren der Agglomerationen, seien es Geschäfte, die von der Nähe zu weiten, dicht besiedelten Wohnbereichen profitieren (Innenstädte von Arlon und Esch, Arlon-Spetz…);
  • die grenzüberschreitenden Gewerbegebiete, vor allem mit Geschäften, die vom "Grenzeffekt" profitieren und sich generell gesehen in mehreren sukzessiven Phasen entwickelt haben (Messancy, der Pôle Europe oder in jüngerer Zeit Sterpenich).

Zu diesen vier Gewerbegebieten kommen mehrere weitere mit begrenzter Größe, die oft isoliert liegen. Hier sind zu nennen:

  • Das Geschäftszentrum Trier, das fast 550 Geschäfte mit einer Nettoverkaufsfläche von mehr als 225 000 m² umfasst; es besteht aus einem Primärzentrum in der Innenstadt, das das hauptsächliche Angebot stellt (vor allem Waren des persönlichen Bedarfs) sowie zwei Sekundärzentren flussaufwärts und flussabwärts der Innenstadt, die nur wenige, jedoch sehr großflächige Geschäfte umfassen (hauptsächlich große Möbelgeschäfte und Baumärkte);
  • das Einzelhandelszentrum Bastogne, das 300 Geschäfte mit einer Nettoverkaufsfläche von 55 000 m² umfasst und aus der Innenstadt (250 Geschäfte mit fast der Hälfte der Nettoverkaufsfläche) wowie zwei peripheren Geschäftszentren an den Ausfallstraßen besteht; während die eine davon (rue de Wiltz) auf Einrichtungsbedarf spezialisiert ist, konkurriert die andere (route de Marche) mit der Innenstadt mit einem Angebot von Geschäften des persönlichen und des Freizeitbedarfs;
  • die Doppelzentren von Ettelbruck, Saint-Vith und Bitburg bestehen alle drei aus einer Innenstadt mit dem größeren Teil der Geschäfte sowie einem Peripherzentrum aus großflächigen Einzelhandelsgeschäften; der einzige Unterschied liegt in der Art der Geschäfte: bei Ettelbruck handelt es sich um ein Sekundärzentrum mit breitem, allgemeinem Angebot, das das Primärzentrum ergänzt, in Bitburg handelt es sich um ein auf Einbrichtungsbedarf spezialisiertes Zentrum, das komplementär zu Innenstadt ist; und in Saint-Vith schließlich handelt es sich um ein auf Möbelgeschäfte spezialisiertes Gebiet, das von der Grenznähe profitiert;
  • die nordluxemburgischen Einkaufszentren Knauf (Pommerloch und Schmiede) liegen isoliert, aber spielen eine logische Rolle, indem sie in grenznaher Lage Kundschaft aus dem Nachbarland Belgien anziehen; beide mit einer Nettoverkaufsfläche von jeweils 15 000 m², sie profitieren von einem supralokalen Einzugsgebiet, um sich in mehreren Phasen zu entwickeln (entweder durch eine Vergrößerung des Komplexes oder durch Ansiedlung weiterer Geschäfte in der Nachbarschaft);
  • das Factory Outlet Center "Fashion Outlet Zweibrücken" (früher "The Style Outlet") in Zweibrücken, das aufgrund seiner Besonderheit (120 Markenboutiquen hauptsächlich des persönlichen Bedarfs), ein regionales Einzugsgebiet besitzt (30-60 Autominuten), das bis nach Luxemburg reicht.
Fashion Outlet Zweibrücken, 21 000 m², 120 Shops, gegründet 2001, eines der größten Factory Outlet Centers in Deutschland
Foto: © NEINVER


Quellen


Eigene Erhebungen 2010, 2011, 2012

Externe Links