Bitscher Land
Glas- und Kristallerzeugung im Saarkohlenwald
Eva Mendgen
Quellen | Links |
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verlagerte sich die Glasindustrie vom Warndt links der Saar in den Saarkohlenwald rechts der Saar. Sie konzentrierte sich zuerst in Friedrichsthal, Quierschied und Sulzbach und nach dem 1. Weltkrieg in St. Ingbert. Die Glashütten spezialisierten sich seit 1723 auf die Fertigung von Flaschen- und später vor allem Tafelglas in etwa drei Dutzend kleinen und mittelgroßen Betrieben, in denen das Glas im Mundverfahren geblasen wurde. Kunden waren anfangs unter anderem die Winzer an der Mosel und in den französischen Weinanbaugebieten (Wein- und Champagnerflaschen), sowie Apotheken. Die Nachfrage nach Glasprodukten wuchs vor allem im 19. Jahrhundert beständig. |
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Wappen von Friedrichsthalhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId47d4cad6ba Quelle: Stadt Friedrichsthal |
Modernisierung nach Fourcault Zu jenem Zeitpunkt hatten sich die Sulzbacher und Friedrichsthaler Tafelglashütten zur "Vereinigten Vopeliusschen und Wentzelschen Glashütten G.m.b.H." zusammengeschlossen, einem kapitalkräftigen modernen Maschinengroßbetrieb – vor allem um mit den fortschrittlichen belgischen Hütten konkurrieren zu können. Die Modernisierung der Glasindustrie führte zu einem Abbau der Arbeitsplätze und zur Abwanderung der Arbeiter in die Schwerindustrie: 1934 waren in der Glasindustrie an der Saar gerade noch 2 425 Erwerbstätige beschäftigt gegenüber 73 193 im Bergbau. |
Steinkohle als Standortfaktor Fürst Wilhelm Heinrich hatte die Kohlengruben verstaatlicht und erlaubte im Rahmen seiner Ansiedlungspolitik noch den unentgeltlichen Zugriff der Glashütten darauf. In den Zeiten der Französischen Republik hatte man dem "Inspecteur des Mines et Usines" für die Nutzung der Gruben jährlich einen bestimmten Betrag zu entrichten. Ab 1815 war dann der preußische Bergfiskus zuständig. Die alten Absatzgebiete nach Elsass-Lothringen und dem "inneren Frankreich" gingen zum Beispiel 1815 durch die neue Zollgrenze fast vollständig verloren, die preußische Bergverwaltung drohte sogar damit, das Kohlenprivileg ganz aufzulösen. |
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Fertigung von Glaswalzen, für die Herstellung von Flachglas http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId8bd3f77ed5 |
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Kohle als Standortfaktorhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId6a18bf0221 Quelle: die argelola regiofactum |
Nach dem Versailler Friedensvertrag wurde das Saargebiet dann für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt, die Kohlengruben Frankreich übereignet. Mit jeder Neuordnung der deutsch-französischen Grenzen änderten sich die Wirtschaftspolitik, die nächstgelegenen Absatzmärkte und damit die Spielregeln der Vermarktung.
Kartellbildung |
Glasmacherbauern Für den Eigenbedarf wurde Landwirtschaft betrieben (Glasmacherbauern). Einige dieser Glasmachersiedlungen sind noch erhalten, wenn auch durch Umbau z.T. stark verändert.
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Königliche Urkundehttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId41c29c9988 Quelle: Nachlass Ruth Wentzel |
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Glasflaschenrecycling, Grube Maybach, Friedrichsthal 2008http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId494d53f70d Quelle: © die argelola regiofactum |
Konzentration 1880 gab es noch 15 Glashütten an der Saar, die Tafel-, Flaschen- und Weißhohlglas produzierten, 1914 hatten sich die Tafelglashütten aus Friedrichsthal und Sulzbach zur "Vereinigten Vopeliusschen und Wentzelschen Glashütten G.m.b.H." zusammengeschlossen. 1927 waren gerade noch neun Glashütten übrig, 1929 hatte von den vier Flaschenglashütten nur die Champagnerflaschenfabrik in Homburg überlebt. Die moderne St. Ingberter Glasfabrik konnte sich bis 1974 behaupten. Sie ist allerdings nicht die letzte Glashütte des Saarlandes: Kaum bekannt ist die jüngste und modernste Glashütte im Saarland, die "Bauglasindustrie" in Schmelz, die seit 1972 erfolgreich Profilglas für den Standort Großregion und für den weltweiten Export produziert. |
Verluste Heute verweist nichts mehr direkt auf die im Saarkohlenwald einst so präsente Glasindustrie. Sie wurde vom Bergbau überlagert, der heute auch schon wieder Geschichte ist. War die Saarglasindustrie bis in die 1950er Jahre Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten, ab und an auch Instrument nationalistischer Propaganda, so ist sie heute in erster Linie in der Heimatforschung präsent. Ihre Relikte sind, trotz Denkmalschutz, abgerissen oder so stark verändert, dass sich ihre ursprüngliche Bestimmung heute nicht mehr ablesen lässt (z.B. St. Ingbert). Versuche, auf ihre Geschichte anlässlich der teilweisen Rekonstruktion und Transformation der St. Ingberter Glashütte in einen Baumarkt mit Hilfe einer von mehreren öffentlichen und privaten Initiativen veranstalteten Ausstellung aufmerksam zu machen, haben keine dauerhafte Beachtung nach sich gezogen. Zahlreiche Dokumente zur deutsch-französischen Kultur-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte warten noch auf ihre Entdeckung und wissenschaftliche Dokumentation und vor allem auch eine Interpretation im Kontext der europäischen Geschichte. |
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Glashütte St. Ingbert kurz vor dem Abrißhttp://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProIdb6b197c92f Quelle: E. Mendgen |
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http://geow.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/gl103/lo110/bi112?id=796&task=view#sigProId50bff01c2c |
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Historische Karte der Glashütten an der Saar |
Banken, R. 2003: Die Saarregion 1815-1914. Band 2: Take-Off-Phase und Hochindustrialisierung 1850-1914, Stuttgart
Glaser, H. und E. Mendgen 2005: Ein untergegangener Industriezweig und seine Denkmäler. Argumente für eine Glasstraße Saarland-Lothringen. In Eckstein, Journal für Geschichte Nr.11, Saarbrücken
Glaser, H. und W. Kräuter 1989: Industriesiedlungen, Saarbrücken
Kern, W. 1975: Friedrichsthal Bildstock Maybach - Bilder und Dokumente zur Geschichte der Stadt, Heimat- und Verkehrsverein Friedrichsthal
Lauer, W. 1922: Die Glasindustrie im Saargebiet, Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Saargebiets, Diss. Tübingen, Braunschweig
Martin, F. Saarland – ein landeskundlicher Abriss (LXXIII), S. 210–211
Müller, R. und D. Staerk 1998: Quierschied, die Gemeinde im Saarkohlewald, Quierschied
Overbeck, H. 1934: Saar-Atlas, Gotha
Schmitt, A. 1989: Denkmäler Saarländischer Industriekultur, Saarbrücken
Vopelius, M. v. 1895: Die Tafelglasindustrie im Saarthale, Diss., Halle
Wentzel, Ruth, Nachlass