Westerwald

Die Keramikerzeugung im Westerwald

 

Emile Decker

      Quellen Links

 


Der Westerwald ist eine Region in Rheinland-Pfalz, auf der rechten Rheinseite zwischen der Sieg im Norden und der Lahn im Süden. Seit ältester Zeit gibt es hier eine Keramikproduktion Ab 1200 gibt es Belege für die Präsenz von Töpfern, welche verschiedene Arten von Keramik herstellen.

In dieser Region durchgeführte archäologische Ausgrabungen zeigen, dass hier lokal Proto-Steinzeug hergestellt wurde, ein Zwischenmaterial von Terrakotta und Steinzeug, dessen Masse nur teilweise gesintert ist.

Die Objekte stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert, wobei bis dahin diese Art der Herstellung nur aus dem Produktionsraum Siegburg bekannt war.

Die Region des Westerwalds, wo sich die Töpfer dicht an dicht angesiedelt haben, bezeichnet man als „Kannenbäckerland“. Sie bildet eine Zone von etwa fünfzig Kilometern um Höhr-Grenzhausen

Karte: Keramikerzeugung

 

Keramikerzeugung

Emile Decker, Musée de Sarreguemines

Steinzeugtöpfe mit Salzglasur
Foto:
cc Glem Rutter

Historiker halten fest, dass sie über eine Reihe von Vorteilen verfügt, die diese Entwicklung ermöglichten: zunächst das Vorkommen weißen, sehr plastischer Tons, der sich hervorragend verarbeiten lässt und bei hoher Temperatur gebrannt werden kann.

Die Region ist außerdem reich an Wäldern, die es ermöglichen, die zahlreichen Brennöfen zu versorgen, die auf dem Land entstehen. Zusätzlich durchquert auch noch eine sogenannte Salzstraße die Region, was die Versorgung der Töpfer vereinfacht, die dieses Mineral für das Glasieren von Steinzeug verwenden.

Am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts gibt es im Westerwald eine starke Zuwanderung von Töpfern aus den verschiedenen Produktionszentren: aus Raeren, Siegburg und sogar aus Lothringen. Diese Bevölkerungsbewegung geschieht vor allem aufgrund von politischen Unruhen und Kriegen. Dies ist 1586 der Fall, während der gewaltsamen Übergriffe durch die Spanier, und 1632 durch die Schweden. 

So kommen Anno Knütgen aus Siegburg, Jean Mennicken, die Familien Willems und Blum aus Raeren. Diese Töpfer bilden Handwerkerdynastien, die man über Zeit und Raum verfolgen kann, ihre Nachkommen ziehen in die Dörfer um Höhr-Grenzhausen und verbreiten dort die Keramikerzeugung.

In Höhr und Grenzhausen sind die Töpfer seit 1591 zu einer Zunft zusammengeschlossen; die aus der Herrschaft Vallendar folgen dem Beispiel 1603. 1643 schließen sich die Töpfer aus vier Herrschaften in einer einzigen Zunft zusammen. Sehr strenge Regeln werden aufgesetzt, die vor allem die Ausbildung regeln. Der Handel wird organisiert: Man stellt Vertreter ein, die die Produkte der Zunft in den Städten und auf Märkten, bei den Groß- und Kleinhändlern verkaufen.

Auch private fliegende Händler verbreiten die Ware: Sie durchwandern Städte und Dörfer mit ihren Karren und bieten die Töpferwaren den Einwohnern an. Manche kaufen große Warenvorräte, laden sie in Vallendar auf Schiffe und fahren den Rhein hinunter bis nach Holland, wo sie die Ware verkaufen. Zum Martinstag, am 11. November, kehren sie in den Westerwald zurück, um dort zu überwintern.

Keramikmuseum in Höhr-Grenzhausen
Foto:
cc Klaus Graf

Mineralwasserkrüge aus Steinzeug, 19. Jh., Turmmuseum Mengerskirchen,
Foto: cc Volker Thies

Im 18. Jahrhundert orientiert sich die Massenherstellung in zwei Richtungen: die der Flaschen und die der Pfeifen. Die Flaschen aus Steinzeug sind für Mineralwasser bestimmt. Grund der Nachfrage ist die Quelle Selters, die sich im Westerwald befindet und zum Bistum Trier gehört. Verschiedene Dörfer wie Mogendorf, Baumbach, Ransbach und Hillscheid spezialisieren sich auf diese Aktivität.

Die Mengen an hergestellten Flaschen sind sehr groß. Die Zahl der Töpfer wächst, denn die Nachfrage scheint in der Anfangszeit unbegrenzt zu sein. Doch mit der Zeit stellen sich Schwierigkeiten ein, die Konkurrenz mit den Töpfern außerhalb der Zunft ist groß, denn diese verkaufen die Flaschen zu niedrigeren Preisen.

Für die Mitglieder der Zünfte wird der Anteil, den sie mit den Verwaltern der Quelle aushandeln, immer geringer, und der Zusammenschluss an sich wird in Frage gestellt. Die einheitliche Zunft verschwindet 1769; einige Jahre später gründet man in einigen Herrschaften lokale Bruderschaften, die ihrerseits zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschwinden.

Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist im Kannenbäckerland eine Auswanderungsbewegung nach anderen Gegenden zu verzeichnen, insbesondere in das damalige Luxemburg, in die Region, in der sich die Produktionsorte Speicher, Herforst und Binsfeld befinden, ins Saarland (Krughütte) und ins Elsass (Bettschdorff), doch auch in weiter entfernte Länder, wo sie ihr Können einführen.

Die Herstellung von Tonpfeifen ist ebenfalls eine Massenproduktion. Sie entwickelt sich besonders um Höhr in kleinen Dörfern und ist oft eine Nebentätigkeit, ausgeführt von einer ländlichen Bevölkerung im Auftrag von Kölner Händlern, die ihnen Formen und Gießformen liefern. Diese Aktivität spielt eine wichtige Rolle, bis sie die Konkurrenz der Holländer zu spüren bekommt, die zum Teil mit Ton aus dem Westerwald beliefert werden.

In der Tat hat sich nach und nach ein anderer Handel herausgebildet, der mit Ton. Man baut ihn schon sehr früh im Schachtbau ab, nachdem an der Oberfläche alles ausgebeutet ist. Schächte von einem bis anderthalb Metern Breite werden in den Untergrund getrieben. An der Abbauschicht angekommen werden die Röhren zu einem glockenförmigen Hohlraum erweitert. Die Wände der Schächte werden mit Holzbändern oder Flechtwerken aus dünnen gebogenen Ästen verstärkt.

Keramikwappen im Keramikmuseum von Höhr-Grenzhausen
Foto:
cc Klaus Graf
 
 

Arbeit an der Töpferscheibe
Foto: © Touristik-Service-Kannenbäckerland

Die Schächte werden mit der Zeit immer tiefer und können eine Tiefe von 20 bis 30 Metern erreichen. Die Arbeit wird immer gefährlicher und man beklagt viele Tote durch einstürzende Seitenwände. Ab 1828 wird der Abbau vom Bergamt kontrolliert und die Zahl der Unfälle scheint abzunehmen.

Gefördert wird der Ton in großen Schollen oder in zugeschnittenen Laiben von 10 bis 15 kg, von denen man gewöhnlich fünf in einen Kübel legt. Dieser wird durch eine über dem Schacht angebrachte Seilwinde nach oben gezogen. Der Inhalt der Kübel wird auf Wagen geschüttet, die bis zu 500 kg Ton transportieren können.

Man verfügt für die Gebiete der Bergämter Diez, Dillenburg, Weilburg und Wiesbaden über einige Zahlen zur Produktion: 1828 existieren rund 25 Gruben, aus denen 6 000 Tonnen Ton abgebaut werden; 1846 produzieren 50 Gruben 10 000 Tonnen; 1860 liefern 166 Gruben 17 350 Tonnen, 1863 bereits 25 000 Tonnen, von denen 60 % exportiert werden.

 
 

Den Ton befördern Wagen, die von Ochsen oder Pferden gezogen werden, zum Hafen von Vallendar am Rhein, gegenüber von Koblenz. Das Material wird auf Schiffen über den Rhein nach Frankreich, Holland und England transportiert. Der Tonexport über große Distanzen hat seinen Anfang Mitte des 18. Jahrhunderts, mit dem Beginn der Entwicklung des Pfeifentons auf dem europäischen Kontinent.

Nach 1860 versucht man die Schächte abzuschaffen, um riesige Tagebaugruben zu schaffen. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinien im Westerwald 1884 bekommt der Abbau eine regelrecht industrielle Ausrichtung.

In der Tat verändert sich der Tonabbau im Westerwald im Laufe des 19. Jahrhunderts sehr stark. Es ist der Beginn der Industrialisierung und der Verwendung von Maschinen in den Töpfereien: Man benutzt Maschinen, um den Ton zu kneten, spezielle Pressen für die Flaschen; eine Dampfmaschine liefert nun die Energie. Die Region wird an das Eisenbahnnetz angebunden, was es ermöglicht, den Vertrieb der Produkte auszuweiten. 1882 erreicht die Flaschenproduktion im Westerwald ungefähr 13 Millionen Flaschen pro Jahr.

 
Herstellung von Keramikkrügen
Foto: © Touristik-Service Westerwald

Keramikmarkt
Foto: © Touristik-Service-Kannenbäckerland

Die Dekorationskeramik entwickelt sich durch die Ankunft des Modellierers August Hanke aus Böhmen in Höhr. Dank ihm werden alte Formen von deutschen Produkten wieder modern. 1879 wird eine Berufsschule in Höhr eröffnet, welche eine gezieltere Ausbildung von Töpfern ermöglicht.

Die Keramikherstellung diversifiziert und spezialisiert sich im 20. Jahrhundert, sie muss sich der Konkurrenz durch neue Materialien anpassen. Die Umstellung wird oft als schmerzhaft empfunden. Doch für die Unternehmen, die Neuerungen einführen, wird die Aktivität mit Keramik fortgeführt und diversifiziert sich.

Ende des 20. Jahrhunderts sind drei Bereiche betroffen: die Gebrauchskeramik (Geschirr und dekorative Objekte), die Keramik in der Architektur (sanitäre Anlagen, Fliesen, Leitungen, Rohre), die technische Keramik (Isolatoren, Zahnporzellan oder medizinisches Porzellan, Thermoschutzziegel für Raumflugkörper). Moderne Unternehmen entstehen. Heute gibt es 300 Unternehmen, die etwa 8 000 Menschen beschäftigen.

Quellen


Kerkhoff-Hoff, Bärbel 2008 : Keramikproduktion 1600-2000. Dans : Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, XI/13, Bonn

Kuntz, Andreas 1996 : „Nicht nur "grau-blau" : Westerwälder Steinzeug als Seismograph einer historisch-regionalen Volkskunde.

Seewaldt, Peter 1990 : Rheinisches Steinzeug, Trèves, 170 p.

 

 

Externe Links 


Kuntz, Andreas 1996 : „Nicht nur "grau-blau" : Westerwälder Steinzeug als Seismograph einer historisch-regionalen Volkskunde external link