Naherholung/Tourismus

Christian Wille

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Auch im Zusammenhang mit Praktiken der Erholung im Grünen/Tourismus, die im Alltag teilweise mit Konsumpraktiken kombiniert werden, entstehen grenzüberschreitende Mobilitätsströme in der Großregion SaarLorLux. Sie können unter dem Stichwort ‚Besichtigungsreiseverkehr’ (vgl. Scholz 2011: 176) oder ‚Tagesausflüge’ (vgl. STATEC 2012: 4) mit der Nähe des Wohnorts zu einer Staatsgrenze, mit dem naturräumlichen Angebot oder generell mit touristischen Attraktionen in Verbindung gebracht werden.

So nennen die Einwohner der Großregion SaarLorLux als beliebte Freizeitdestinationen im angrenzenden Ausland z. B. den Zoo d’Amneville (FR), den Weihnachtsmarkt in Trier (DE), Freibäder (DE), Freizeitparks (FR), Vergnügungsbäder (DE), die Schueberfouer (Kirmes) (LU) sowie diverse (grenzüberschreitende) Naturparks (vgl. Wille/Reckinger/Kmec/Hesse 2014). Daran lässt sich vorsichtig eine Tendenz zum grenzüberschreitenden (naturnahen) Aktivtagestourismus bzw. Gesundheitstagestourismus ablesen.

Karte: Grenzüberschreitende Alltagspraktiken

Karte: Grenzüberschreitende Alltagspraktiken

Christian Wille, Université du Luxembourg

Dabei sind das angrenzende Frankreich und Luxemburg die Teilgebiete, die am häufigsten für die grenzüberschreitende Erholung im Grünen bzw. für touristische Ausflüge aufgesucht werden (vgl. Tab. 3). Frankreich – bzw. Lothringen mit der größten Waldfläche (9.058 km2) im Vergleich der Teilgebiete – zieht besonders die Einwohner aus dem Großherzogtum und aus Wallonien an, gefolgt von den Einwohnern der beiden deutschen Bundesländer, wobei sich die Einwohner des Saarlandes von denen aus Rheinland-Pfalz mit deutlich häufigeren Fahrten ins angrenzende Frankreich abheben (vgl. auch Wöltering 2010).

Tabelle 3: Räumliche Verteilung der Praktik ‚Erholung im Grünen/Tourismus’ nach Wohnregionen der Befragten in % (Mehrfachnennungen) (Wille/Reckinger/Kmec/Hesse 2014)

Hingegen ist das Erholungsverhalten der Einwohner der beiden deutschen Bundesländer mit Blick auf die Zieldestination Luxemburg ähnlich: Jeweils rund ein Viertel der Befragten aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz fahren regelmäßig nach Luxemburg zur Erholung ins Grüne. Das Großherzogtum übt aber eine größere Anziehungskraft auf die frankophonen Anrainerregionen aus, insofern als sowohl die Einwohner Walloniens als auch Lothringens zu jeweils rund einem Drittel Luxemburg zur Erholung im Grünen bzw. für touristische Zwecke aufsuchen.

Das angrenzende Deutschland ist für zwei Fünftel der Einwohner Luxemburgs eine beliebte Ausflugsdestination, wobei vermutlich Rheinland-Pfalz aufgrund seiner weiten Waldflächen (8.348 km2) besonders attraktiv ist. Aus Lothringen kommt ein Viertel der Einwohner und aus Wallonien kommen noch 16% der Einwohner nach Deutschland, um sich hier zu erholen. Das angrenzende Belgien schließlich rangiert – trotz seiner 4.952 km2 Waldfläche (Wallonien) und industrie- sowie militärhistorischen Attraktionen – auf dem letzten Platz der Ausflugsdestinationen.

Knapp ein Drittel der Luxemburger Wohnbevölkerung sucht das benachbarte Belgien zur Erholung im Grünen auf, mit Abstand gefolgt von den Einwohnern Lothringens. In den beiden deutschen Bundesländern unternehmen mit 11% noch v.a. Personen aus dem Saarland touristische Ausflüge ins angrenzende Belgien.

Die Luxemburger Wohnbevölkerung weist im Vergleich der Teilgebiete – nach den Einwohnern Walloniens, die auch bei Cavet/Fehlen/Gengler (2006: 38) aus touristischen Gründen besonders grenzüberschreitend mobil sind – die größte grenzüberschreitende Orientierung auf, wenn Ausflüge unternommen werden. Dabei werden das angrenzende Deutschland und Frankreich von etwa jeweils 40% der Befragten aufgesucht, 30% fahren an Freizeitdestinationen in Wallonien (vgl. auch STATEC 2012: 1).

In vertiefenden Interviews bei Wille/Reckinger/Kmec/Hesse (2014) geben die Einwohner Luxemburgs an grenzüberschreitende Ausflüge zu unternehmen, um mal rauszukommen („in eine richtige Stadt“), um Besuchern die (schöne) Region zu zeigen oder um Kurzurlaube (z. B. Wellness-Urlaub) in den für sie vergleichsweise günstigen Hotels zu machen. Für solche Unternehmungen spielt der Wohnort bzw. die Entfernung zu den Nachbarländern eine Rolle.

Denn während die in Ostluxemburg lebenden Befragten signifikant selten ins westlich gelegene Belgien zur Erholung fahren, suchen die in Nordluxemburg lebenden Befragten signifikant selten das südlich gelegene Frankreich zur Erholung auf. Ebenso sind Unterschiede mit Blick auf die Nationalitäten der Befragten festzustellen, wenn Luxemburger etwa signifikant häufiger als die ansässigen Ausländer das touristische und naturräumliche Angebot in Deutschland nutzen.

Letztere hingegen ziehen signifikant häufiger Frankreich zur Erholung vor. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Tagesausflüge der Einwohner Luxemburgs in den 2000er Jahren häufiger geworden sind und ca. drei Viertel von ihnen im Jahr 2011 mindestens einen Tagesausflug ins benachbarte Ausland unternommen haben (vgl. STATEC 2012: 4).

Zur fundierten Ausleuchtung der Gründe für grenzüberschreitende Alltagsmobilitäten im Kontext von Erholung im Grünen/Tourismus ist die aktuelle Datenlage (noch) zu schmal. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass neben spezifischen oder saisonbedingten Attraktionen v.a. die verschiedenen touristischen Angebote in den Teilräumen für die grenzüberschreitende Freizeitmobilität bedeutsam sind.

Der Naturpark Pfälzerwald
Foto: Deshaies

Der (naturnahe) Aktivtourismus ist in der Großregion SaarLorLux v.a. in den reliefreichen Gebirgsgegenden verbreitet, wie z. B. in den Eifel-Ardennen, Pfälzerwald, Vogesen, oder in den Regionen Hunsrück, Westerwald, Müllerthal etc. (vgl. Wöltering 2010).

In diesen und weiteren Gebieten verfügt die Großregion SaarLorLux über 23.831 km2 Waldfläche, von der die größten Anteile auf Lothringen und Rheinland-Pfalz (8.348 km2) entfallen, gefolgt von Wallonien (4.952 km2) (vgl. StaGR 2014: 49).

Esch-sur-Sûre, Großherzogtum Luxemburg

Diese Teilgebiete weisen ebenfalls die größten Naturparkflächen auf, wobei die insgesamt 22 Naturparks in der Großregion SaarLorLux ein Viertel der Gesamtfläche (18.000 km2) ausmachen und sich mit ihren Rad- und Wanderwegen teilweise grenzüberschreitend erstrecken (vgl. Deshaies 2011).

Daneben profitieren viele Einwohner der Großregion SaarLorLux vom Angebot des Gesundheitstourismus, insofern als jedes der Teilgebiete mit mindestens einem größeren Kurort bzw. mit einer relativ hohen Kurortdichte aufwartet; dazu zählen z. B. Thermalbäder wie Spa (Wallonien), Vittel (Lothringen) oder Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) (vgl. Wöltering 2010). Schließlich bietet das vielfältige historische Erbe der Großregion SaarLorLux freizeitorientierte Mobilitätsanlässe, die unter den Begriff des Kulturtourismus rubriziert werden können.

Wöltering (2010) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Industrie- und Militärtourismus, der mit vergangenen und die Sozialgeschichte der Großregion SaarLorLux prägenden Industrien (vgl. Helfer und Dörrenbächer 2015) sowie mit der bewegten und kriegerischen Geschichte der Grenzregionen in Zusammenhang steht.

Unter den Einwohnern der Großregion SaarLorLux sind, so kann festgehalten werden, grenzüberschreitende Praktiken der Erholung im Grünen/Tourismus ausgeprägt, wobei vermutlich oft naturnahe und touristisch orientierte Tagesausflüge unternommen werden.

Die Teilgebiete können mit einem breiten und attraktiven Naturraumangebot sowie Angebot im Gesundheits- und Kulturtourismus aufwarten, was unterschiedliche freizeitorientierte Mobilitätsströme zur Folge hat.

Dabei spielen die französischsprachigen Teilgebiete eine besondere Rolle, ist das angrenzende Frankreich doch eine beliebte Freizeitdestination, besonders bei den Einwohnern Walloniens und Luxemburgs.

Das Großherzogtum wiederum wird besonders häufig von den Einwohnern Walloniens und Lothringens zur Erholung aufgesucht, was auf häufige grenzüberschreitende Ausflüge der Einwohner innerhalb des Dreiländerecks Lothringen-Luxemburg-Wallonien hindeutet.

Diese räumliche Konfiguration der Mobilitätsströme wird komplettiert vom angrenzenden Deutschland, in das v.a. die Einwohner Luxemburgs, insbesondere luxemburgische Staatsbürger (vermutlich nach Rheinland-Pfalz), und die Einwohner Lothringens (vermutlich ins Saarland) touristische Ausflüge unternehmen.

Das Oberrheintal. Blick von der Loreley auf den Rhein
Foto: © Die argelola/Regiofactum