Tanktourismus

Daniel Ullrich

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Die Entwicklung der Kraftstoffnachfrage in Luxemburg und den benachbarten Staaten
Die Nachfrage nach Normal- und Superbenzin ist in Luxemburg zwischen 1985 und 2005 um 65% gestiegen. Dieser Trend unterscheidet sich damit deutlich von dem der drei Nachbarstaaten. In Frankreich ist die Nachfrage seit 1985 um über ein Drittel gesunken, in Belgien um 30%, in Deutschland immerhin um 24%.

Noch deutlicher wird der Unterschied beim Dieselkraftstoff: Hier zeigen zwar alle vier Länder einen zunehmenden Trend, der auf den geringeren Verbrauch und die steuerliche Bevorzugung der Dieselfahrzeuge zurückgeht. In Frankreich nahm der Dieselabsatz im betrachteten Zeitintervall auf das dreifache zu, in Belgien ist er auf das zweieinhalbfache gestiegen. In Deutschland hat sich der Absatz an Diesel immerhin verdoppelt. Im gleichen Zeitraum hat sich die Nachfrage nach Diesel in Luxemburg dagegen nahezu verzehnfacht.

Ein derartiges Wachstum lässt sich kaum durch eine gestiegene Binnennachfrage erklären. Das untypische Wachstum in Luxemburg geht zum überwiegenden Teil auf den grenzüberschreitenden Tankverkehr zurück, der sich nach Michael Thöne (2008) aus drei Konsumentengruppen zusammensetzt: dem Pendlerverkehr, dem Transitverkehr sowie dem Tanktourismus. Sie stellen ein enormes Kundenpotential mit erheblichen räumlichen Auswirkungen auf die Lage und Anzahl der Tankstellen im Großherzogtum und den unmittelbar benachbarten Grenzregionen.

Karte: Tanktourismus

 

Karte: Tanktourismus

Daniel Ullrich, Saarbrücken

Tanktourismus und grenzüberschreitender Tankverkehr
"Tanktourismus" beschreibt das Phänomen, dass Kraftfahrer aufgrund steuerbedingter Preisunterschiede Grenzen überschreiten, um in einem Nachbarland billiger zu tanken. M. Thöne erläutert Tanktourismus folgendermaßen: Bestehen zwischen den Marktpreisen zweier Länder für leicht transportable und legal ausführbare Güter - wie in diesem Falle dem Kraftstoff - nennenswerte Preisunterschiede, so kommt es zu Arbitragekäufen:

"Durch den Kauf des Gutes auf dem Markt mit dem niedrigeren Preis und den Verkauf auf dem Markt mit dem höheren Preis bzw. den Eigenkonsum des günstigeren Gutes an Stelle des teureren werden Arbitragegewinne erzielt. Sind die Preisunterschiede weitgehend oder vollständig auf unterschiedlich hohe Besteuerungen in den jeweiligen Ländern zurückzuführen, spricht man von Steuerarbitrage".

Zu den Gewinnen durch den Kauf billigeren Treibstoffs kommen Gewinne, die durch Arbitragekäufe anderer, im Ausland ebenfalls geringer versteuerter Produkte erzielt werden. Im Falle Luxemburgs sind dies v.a. die steuerlich ebenfalls begünstigten Spirituosen, Kaffee und vor allem Tabakwaren, die damit ebenfalls deutlich günstiger als in den Herkunftsländern der Tanktouristen erhältlich sind.

Die von Tankstellen gesäumte route de Wasserbillig in Mertert-Wasserbillig, eines der Hauptziele deutscher Tanktouristen
Foto: Ullrich 2009

Das Ausmaß der Regelmäßigkeit des Tanktourismus wird in hohem Maße von der Distanz zur Landesgrenze, dem mit der Fahrt verbundenen Zeitaufwand sowie den Preisunterschieden zwischen Nachbar- und Heimatland bestimmt. Neben den im Grenzraum wohnenden Tanktouristen hat auch der Freizeitverkehr einen signifikanten Einfluss auf den Tanktourismus.

Nicht zuletzt hat sich der Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU durch die Inkraftsetzung des Schengener Abkommens am 26. März 1995 verstärkend ausgewirkt. In besonders gut an das Verkehrsnetz angeschlossenen Grenzorten sind Agglomerationen von Tankstellen gewachsen, in denen im Extremfall eine Tanksäule auf zwei Einwohner  kommt. 

Der Tanktourismus muss abgegrenzt werden zum grenzüberschreitenden Tankverkehr. Der Anteil des reinen Tanktourismus ist im Falle Luxemburgs zwar ein wichtiger, aber nicht der dominierende Faktor des Tankverkehrs.

Während Tanktouristen zum Tanken ein- und bald danach wieder ausreisen, bilden Grenzpendler und der Transitverkehr zwei weitere, ebenfalls sehr wichtige Nachfragegruppen, bei denen jedoch geschäftliche/berufliche Motive vordergründig sind, und das günstige Tanken nur einen Nebeneffekt bildet. Ihre Reisemotivation ist im Gegensatz zu der der Tanktouristen nicht primär durch das billigere Tanken bestimmt.

Tanktouristen lassen sich in zwei Motivgruppen einteilen:
a)    Die Fahrt über eine Staatsgrenze mit dem alleinigen Zweck, günstiger zu tanken
b)    Die grenzüberschreitende Fahrt zum Einkauf, Erledigungen, Erholung, Besuchen o. ä., bei der eine Betankung im Zielland wichtiger Nebenzweck bzw. Auslöser der Fahrt ist.

Einflussfaktoren des Tanktourismus

Kraftstoffpreis und Preisdifferenz
Wie oben angesprochen, liegt im günstigen Einkauf von Kraftstoffen das Hauptmotiv des Tanktourismus. Die Preisdifferenzen kommen dadurch zustande, dass im EU-Binnenmarkt innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Steuersätze angewendet werden. Auf EU-Ebene werden lediglich Mindeststeuersätze festgelegt.

Der Verkaufspreis des Kraftstoffes wird in hohem Maße von zwei Größen bestimmt: dem Rohölpreis sowie der Mineralölsteuer. Die Mineralölpreise für den Europäischen Markt werden maßgeblich vom Preisniveau auf dem Rohölmarkt in Rotterdam bestimmt. Diese Spotmarkt-Preise stehen dabei in Relation zu den Oil Future Notierungen an den Rohölbörsen in London und New York.

Rohölpreise sind Börsenpreise, die z.T. stündlichen Veränderungen unterliegen und stark durch spekulative Optionskäufe bestimmt werden. Außerdem reagieren sie äußerst spontan auf weltpolitische und wirtschaftsbezogene Meldungen, insbesondere wenn diese die OPEC-Länder oder die großen Ölverbrauchsländer wie die USA oder China betreffen.

Die Mineralölsteuer, erhoben auf Mineralöle und Erdgas, zählt zu den Verbrauchssteuern und wird nach dem Verbrauch der Produkte bemessen. Die Einnahmen gehen zu 100% an den Staat und haben einen wesentlichen Anteil an den Gesamtsteuereinnahmen.

a) Vergleich der Verbraucherpreise für Dieselkraftstoff, Stand 23. März 2009 
b) Vergleich der Verbraucherpreise für EuroSuper, Stand 23. März 2009
Quelle: MWV

Betrachtet man die Kraftstoffpreise Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs, so lässt sich feststellen, dass die Steuern den größten Anteil am Kraftstoffpreis einnehmen. Im Vergleich der Verkaufspreise für Dieselkraftstoff vor Mineralöl- und Mehrwertsteuer führt Belgien deutlich mit 40,6 Ct/l, gefolgt von Luxemburg mit 37,9 Ct/l. Deutschland und Frankreich rangieren deutlich darunter. Ähnlich verhält es sich mit den steuerfreien Verkaufspreisen für EuroSuper (95 Oktan). Hier ist der luxemburgische Preis sogar höher als der seiner drei Nachbarländer.

Vergleicht man jedoch die Verbraucherpreise, also inklusive Mineralöl- und Mehrwertsteuer, ergibt sich ein anderes Bild: Aufgrund der niedrigeren Besteuerung, sowohl bei der Mineralölsteuer als auch bei der Mehrwertsteuer, rangieren die luxemburgischen Kraftstoffpreise deutlich unter denen der drei Anrainerstaaten.

Zusammensetzung der Benzinpreise
(Säulenpreis EuroSuper 95 Oktan) für
Deutschland inkl. Umsatzsteuer bei
einem Endpreis von 1,171 €/l
und für
Luxemburg für einen Preis
von 96,3 Cent/l. Angaben in Cent/l und %, Stand: März 2009
Quelle: MWV

Entwicklung des Dieselabsatzes in Luxemburg und den Nachbarländern seit 1985
Quelle: Thöne 2008

Preisdifferenzen von über 20 Cent/l Kraftstoff sind und waren in den letzten Jahren keine Seltenheit. Verdeutlicht wird die Rolle der Steuern am Beispiel der Zusammensetzung des deutschen und des luxemburgischen Benzinpreises. In der Grafik ist für Luxemburg und Deutschland der so genannte Säulenpreis für einen Liter Benzin (EuroSuper 95 Oktan) dargestellt, der sich aus fünf Komponenten zusammensetzt:

Am Treibstoffpreis der deutschen Tankstellen machen die Steuern den größten Anteil aus. Nur 28 % des Kraftstoffpreises entfallen auf die Produkt- bzw. Wareneinstandspreise sowie die darin enthaltenen Margen der Mineralölwirtschaft.

Die restlichen 72 % des Säulenpreises werden von den Steuern eingenommen. Derzeit belaufen sich Mineralöl- und Ökosteuer auf 65,5 Cent pro Liter Benzin (Mineralölsteuer: 50,1 Cent, Ökosteuer 15,4 Cent) und 47 Cent pro Liter auf Dieselkraftstoff.

Die Ökosteuer, womit hier die Erhöhung der Mineralölsteuersätze auf Kraftstoffe um 3,07 Cent pro Liter zum 1. April 1999 sowie jeweils zum 1. Januar 2000 bis 2003 im Rahmen der ökologischen Steuerreform gemeint sind, ist dabei keine eigenständige Steuerart, sondern Teil der Mineralölbesteuerung.

Neben Mineralöl- und Ökosteuer ist in den Kraftstoffpreisen ein Erdölbevorratungsbeitrag (EBB) in Höhe von 0,46 Cent pro Liter Benzin und 0,36 Cent pro Liter Diesel enthalten.

Hinzu kommt letztendlich die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) in Höhe von 19%, die neben dem Wareneinstandspreis auch auf die Mineralöl- und Ökosteuer sowie den EBB erhoben wird. Addiert man die Besteuerungen, so beläuft sich der Steueranteil am Gesamtpreis von 1,171 € für einen Liter EuroSuper auf 84,1 Cent, zuzüglich EBB.

In Luxemburg beläuft sich die Mineralölsteuer, die zu den unmittelbaren Einnahmen zählt, im Jahr 2009 auf 46,2 Cent pro Liter Benzin und 30,2 Cent pro Liter Diesel. Die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) liegt in Luxemburg bei 15 %, damit 4 % unter der deutschen (19%) und französischen (19,6%) Besteuerung und ganze 6 % unter dem belgischen Satz von 21%.

In Luxemburg umfasst der Wareneinstandspreis mit insgesamt 37,5 Cent/l bereits einen wesentlich größeren Teil am Säulenpreis. In ihm enthalten sind bereits die Konzessionsabgaben der Tankstellen in Höhe von 4 Cent pro Liter. Seit dem 1. Januar 2007 ist im Wareneinstandspreis eine Klimaabgabe in Höhe von 1,25 Cent pro Liter Diesel und 2 Cent pro Liter Benzin enthalten.

Der Tanktourismus als Folge unterschiedlicher Besteuerung hat dazu geführt, dass Luxemburg, welches seit vielen Jahren relativ niedrige Steuersätze auf Benzin und Diesel erhebt, statistisch der Spitzenreiter beim Mineralölverbrauch in Europa ist und einen inzwischen fast fünf mal so hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Mineralöl aufweist wie der EU-Durchschnitt. Dabei entfallen nur 31% des Benzin- und 9% des Dieselabsatzes auf Luxemburger.

Für den Staatshaushalt Luxemburgs spielen die Steuern und Abgaben, die durch die Treibstoffnachfrage erwirtschaftet werden, eine weitaus größere Rolle als in den meisten anderen europäischen Staaten. Allein die Steuereinnahmen aus dem Kraftstoffverkauf (ohne Konzessionsabgaben) umfassen etwa elf Prozent des Gesamtsteueraufkommens.

Im Treibstoffsektor Luxemburgs sind 2 500 Personen beschäftigt, davon 2 100 bei den Tankstellen, die jährlich 3 Milliarden Liter Treibstoff verkaufen und zu den Steuereinnahmen des luxemburger Staats mehr als eine Milliarde Euro beitragen (2010).

Wirtschaftlichkeit und Verkehrsanbindung als determinierende Faktoren
Ein wichtiger Faktor, der das Ausmaß des Tanktourismus entscheidend beeinflusst, ist die Erreichbarkeit des Zielortes, die mit Entfernung, Zeitaufwand oder auch Fahrtkosten gemessen werden kann.

Der Tanktourist bezieht neben der Preisdifferenz auch die oben genannten Faktoren in seine Überlegung mit ein, wenngleich man nicht davon ausgehen kann, dass eine Bewertung hier grundsätzlich rational durchgeführt wird.

Dem Faktor Entfernung kommt eine besondere Rolle zu, entscheidend ist jedoch nach Christaller (1968) die "wirtschaftliche Entfernung". Im Falle des Tanktourismus wird diese durch Fahrtkosten, Reisedauer, Verschleiß am Fahrzeug und Unfallrisiko bestimmt.

Die obere Grenze der Reichweite eines Gutes ist dabei als die maximale Distanz zu sehen, die ein Konsument zu überwinden bereit ist, um in den Besitz eines Gutes zu gelangen.

Deutsche Tanktouristen in Schengen/Remerschen
Foto: Ullrich 2009

Wesentlich für die Bestimmung der Reichweite sind dabei die Preisdifferenz, die entstehenden Fahrt- und Betriebskosten sowie der maximal in Kauf genommene Zeitaufwand. Die Kosten-Nutzen-Relation der Tanktouristen aus der Ersparnis gegenüber den tatsächlichen Fahrtkosten hängt von einer Vielzahl individueller Parameter ab, die u.a. Spezifika des genutzten Fahrzeugs und die Präferenzen des Fahrzeughalters umfassen.

Allerdings betont Michaelis (2004) in seiner Szenario-Analyse zum Tanktourismus, dass anfallende Zusatzkosten, die von der zusätzlichen Fahrleistung verursacht werden, wie z.B. die damit einhergehende Wertminderung am Fahrzeug, die zusätzlichen Werkstattkosten für Wartung und Ersatzteile sowie ein erhöhtes Unfallrisiko während der Anfahrt, eher von theoretischer Bedeutung sind und eine vollständig rationale Betrachtung bei der Mehrheit der Kraftfahrer nicht vorausgesetzt werden kann:

Benzinpreise an einer Tankstelle an der route d'Arlon in Rombach-Martelange unmittelbar an der Grenze zu Belgien, März 2009
Fotos: Ullrich 2009

"Die allgemeine Lebenserfahrung legt viel mehr nahe, davon auszugehen, dass die Kraftfahrer bei der Bestimmung der Zusatzkosten lediglich den zusätzlichen Treibstoffverbrauch und die Mühsal des zusätzlich in Kauf genommenen Anfahrtsweges berücksichtigen".

Die Reichweite eines Gutes und damit auch sein Einzugsgebiet werden weiterhin von seiner Lage im bzw. seiner Anbindung an das Verkehrsnetz beeinflusst. Dabei ist es von Bedeutung, wie gut das Verkehrsnetz ausgebaut ist, und welche Arten von Verkehrswegen zur Verfügung stehen.

Bei einem Autobahnausbau, wie dies im Saarland durch die Erweiterung der A8 in Richtung Luxemburg im Jahr 2003 geschehen ist, können der Zeitaufwand für die Fahrt oder gar die Wegstrecke verkürzt werden. Derartige Ausbaumaßnahmen wirken sich nicht nur auf die Kosten-Nutzen-Überlegung der Kraftfahrer aus, sondern darüber hinaus auch auf die Einzugsgebiete nun besser angebundener Zielorte.

Diese können vergrößert werden, und es kann zu einer Verlagerung der Reiseströme kommen. Im Fall des Weiterbaus der A8 erhielt der Ort Schengen eine direkte Autobahnanbindung. In diesem Kontext entstanden zeitgleich zwei Tankstellen im Bereich der Autobahnauffahrt, eine dritte Station öffnete Mitte 2009. Dies hat zweifellos Auswirkungen auf die Tankstellen im Ort wie auch auf die im acht Kilometer entfernten Ort Remich.

Neben den Faktoren Entfernung und Erreichbarkeit ist der Verkauf eines Gutes nicht zuletzt von der Anzahl und Konzentration potentieller Käufer abhängig. Im Falle des Tanktourismus sind dies die Kraftfahrzeughalter, die im Grenzraum wohnen oder arbeiten.

 

Kopplungsvorgänge
Tanktourismus bezieht sich nicht nur auf den reinen Kauf von Kraftstoff. Vielmehr wird der Besuch an der Tankstelle häufig mit anderen Aktivitäten verknüpft, weshalb die Analyse des Phänomens Tanktourismus nicht auf die Betrachtung der bestehenden Preisdifferenzen im Kraftstoffsektor reduziert werden darf. Neben dem Kraftstoff werden häufig auch andere Waren oder auch Dienstleistungen erworben, was bei bestehenden Preisdifferenzen die Rentabilität der grenzüberschreitenden Fahrt erhöht.

Im Falle des Tanktourismus nach Luxemburg ist der Einkauf von Spirituosen, Kaffee und insbesondere Tabakwaren von besonderer Bedeutung. Letztere sind wegen der niedrigen Akzisen, wegen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von lediglich 12 % und schließlich wegen der zwischen 2004 und 2005 durchgeführten umfassenden Erhöhung der Tabaksteuer in den Nachbarländern derart preisgünstig geworden, dass sie verstärkt Nachfrager aus dem Ausland anziehen.

Das so entstandene Beigeschäft der Tankstellen hat sich schon seit längerem auf das Konsumverhalten der Kunden ausgerichtet. In den Shops sind nicht selten bis zu 250 Sorten Zigaretten zu finden. Die gleichlaufenden Steuerdifferenzen bzgl. der Mineralöl- und Tabaksteuer verstärken sich also wechselseitig und erhöhen den Reiz zum "Cross-Border-Shopping". Vor allem für solche Personen, die weite Strecken zum Zielort zurücklegen müssen, ist eine Kopplung sinnvoll, die den Ertrag der Fahrt erhöht. Es ist anzunehmen, dass Personen, die eine weite Strecke zurücklegen, grundsätzlich mehr Geld ausgeben, als solche, die grenznah wohnen, da Fahrt- und Zeitkosten höher sind.

Schließlich ist Tanktourismus nicht immer nur als reine Versorgungsfahrt zu verstehen, vielmehr ist oft eine Verknüpfung unterschiedlicher Fahrtmotivationen zu beobachten. So werden Tankausflüge nach Luxemburg gerne mit Erholung oder Freizeitgestaltung kombiniert.

Berufspendler
Eine weitere nicht zu vernachlässigende große Gruppe mit Einfluss auf die Kraftstoffnachfrage bilden die Grenzpendler. Sie tanken häufig auch an den grenzfernen Tankstellen. Es handelt sich dabei um Personen aus den an das Großherzogtum angrenzenden Regionen, die in Luxemburg ihrem Beruf nachgehen.

Derzeit beläuft sich die Zahl der Berufspendler auf rund 150 000 Personen (2009), entsprechend rund 40 % der luxemburgischen Erwerbstätigen. Dagegen pendeln nur rund 700 Luxemburger täglich in die umliegenden Staaten.

Auch das Tankverhalten der Berufspendler, die mit dem eigenen Pkw einreisen - dies sind rund 85% (vgl. Artikel Nahverkehr) -, richtet sich nach den Preisdifferenzen zwischen Heimats- und Arbeitsland. Im Unterschied zum Tanktourismus fallen jedoch bei dieser Gruppe keine Transaktionskosten wie Abnutzung am Fahrzeug, Unfallrisiko, zeitlicher Aufwand etc. für die Reise an, da die Fahrt ohnehin unternommen wird.

 
"Sparen beim Tanken – Sparen beim Kaufen" - mit diesem Slogan wirbt eine freie luxemburgische Tankstelle
Foto: Ullrich 2009

 


Lkw-Betankung an der Aire de Capellen in Fahrtrichtung Belgien
Foto: Ullrich 2009

Der Transitverkehr
Die letzte wichtige Nachfragegruppe bildet der Transitverkehr, also der Teil des Verkehrs, der das Großherzogtum auf seiner Reise durchquert. Neben dem normalen Pkw-Verkehr und dem saisonal bedingten Urlaubsverkehr sind dies vor allem Lkw, die man insbesondere an den luxemburgischen Autobahntankstellen in großer Zahl beobachten kann.

Prinzipiell richtet sich das Tankverhalten des Transitverkehrs nach demselben Kriterium wie das des Tanktourismus, nämlich der bestehenden Preisdifferenz zwischen Herkunftsland und Tankort.

Hinsichtlich der räumlichen Dimension kommt jedoch ein entscheidender Unterschied zur Geltung: Ein moderner Pkw hat mit einer Tankfüllung eine Reichweite von etwa 750 km.

Die Reichweiten der Lastkraftwagen im Fernverkehr können dagegen ohne weiteres 2 500 km erreichen. Manche Speditionen der Nachbarländer tanken ausschließlich in Luxemburg und sichern sich so einen gewichtigen Wettbewerbsvorteil. 

Ein Pkw, der in Luxemburg vollgetankt wurde, kann nicht nur das benachbarte Belgien oder die Niederlande durchqueren. Die Reichweite erstreckt sich vielmehr über große Teile Deutschlands und Frankreichs, bis nach England, Italien, Tschechien, der Schweiz und Österreich.

Für einen Lkw dagegen, der in Luxemburg voll aufgetankt wurde, gibt es in der EU kaum noch Ziele, für deren Erreichen ein zweiter Tankstopp notwendig wäre. Besonders der luxemburgische Diesel verteilt sich somit nahezu über ganz Europa.

Einen Pferdefuss hat der stetig steigende Umsatz der Luxemburger Tankstellen: Die mit dem dort verkauften Treibstoff verbundenen Emissionen belasten den Emissionshaushalt Luxemburgs im Sinne des Kyoto-Protokolls zur Klimarahmenkonvention.

Reichweite des luxemburger Kraftstoffs
Quelle: Thöne 2008

Dieselabsatz der luxemburger Tankstellen
Quelle: Groupement pétrolier luxembourgeois

Entwicklung der Anzahl der luxemburger Tankstellen. Es kommt zu einer Konzentration des Absatzes auf weniger, dafür größere Tankstellen
Quelle: Groupement pétrolier luxembourgeois

 

Quellen


Christaller, W. 1968: Die zentralen Orte in Süddeutschland: Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen. Darmstadt.

Clees, J. 2006: Le commerce transfrontalier des produits soumis á accises au Grand-Duché de Luxembourg. Paris

Kaps, T. & B. Glembotzki 2005: Tanktourismus: Beförderung von flüssigen Kraftstoffen. In: Der Verkehrsdienst: VD; Zeitschrift für die Rechtspraxis im Straßenverkehr, Bd. 51, Heft 5, S. 124–127.

Lenk, T., Vogelbusch, F. & C. Falken 2006: Zur Problematik unterschiedlicher Steuersätze in den Grenzregionen: das Beispiel des deutschen Tanktourismus. In: Hasse, R. H. & C. Kunze (Hg.) 2006: Die Erweiterung der Europäischen Union zwischen Konvergenz und Divergenz. Leipzig, S. 91–115.

Michelis, P. 2004: Tanktourismus – Eine Szenario-Analyse. In: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, Bd. 75, S. 110–125

Naumann, C. (2005): Tanktourismus im deutsch-luxemburgischen Grenzraum am Beispiel Mertert-Wasserbillig. Diplomarbeit. Geographisches Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Popp, H. 1979: Zur Bedeutung des Kopplungsverhaltens bei Einkäufen in Verbrauchermärkten: Aktionsräumliche Aspekte. In: Geographische Zeitschrift, 67. Jg., Heft 4, S. 301–313.

Puwein, W. 1996: Das Problem des Tanktourismus. In: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung: Monatsberichte, Bd. 69, Heft 11, S. 719-727

Spannowsky, W. 2006: Planung und Realisierung von Autobahnen – Vergleich der räumlichen Planungssysteme in der Großregion „Saarland, Lothringen, Großherzogtum Luxemburg, Region Wallonien und Rheinland-Pfalz“. In: Schriftenreihe zum Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Bd. 8, Kaiserslautern.

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Externe links 


Banfi, S., Filippini, M. & L. C. Hunt 2003: Fuel tourism in border regions. ETH Zürich – CEPE Working Paper, Nr. 23 (06.05.2008) external link pdf

Bundesministerium der Finanzen (BMF) (2006): Ökologische Steuerreform (05.05.2008) external link pdf

FISALIS SA (Hg.) 2008: Viaah! annuaire (06.06.2008) external link

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Lenk, T., Vogelbusch, F. & C. Falken 20041: Auswirkungen der grenzüberschreitenden Steuerarbitrage auf das Mineralölsteueraufkommen in Deutschland – Eine finanzwirtschaftliche Bestandsaufnahme 1999 – 2003 (08.05.2008) external link pdf

Lenk, T., Vogelbusch, F. & C. Falken 20042: Auswirkungen des Tanktourismus auf das deutsche Steueraufkommen - Eine finanzwissenschaftliche Bestandsaufnahme (05.05.2008) external link

Mineralölwirtschaftsverband e.V. (MWV) 2009: Vergleich der Verbraucherpreise in der EU, Stand 06.04.2009 (15.04.2009) external link

STATEC 2008: Luxemburg in Zahlen (05.04.2009) external link pdf

Syndicat des villes et communes Luxembourgeoises (SYVICOL) 2008: Villes et communes (06.04.2009) external link

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TECSON (2008): Entwicklung der Rohölpreise auf dem Weltmarkt (06.06.2008) external link 

United Framework Convention on Climate Change (UFCCC) (1998): Das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Bonn. (04.04.2009) external link pdf