Luxemburg
LE028 Luxemburg
LuxemburgLuxemburg-Stadt |
Bezeichnung
"Freysiechenhoff", "Val des Bons Malades"
Topographische Lage
Zunächst bestand das Leprosorium im heutigen Stadtteil Bonneweg, nahe der alten Römerstraße, die aus dem Stadtgrund von Hesperingen über Howald am Leprosorium vorbei zur Stadt führte. Vor 1238 wurde die Leprosenansiedlung in das nördlich der Stadt gelegene Alzettetal in den Martinsgrund bei Pfaffenthal vor das spätere "Siechentor" bzw. die "Sicherporte" der Stadtbefestigung verlegt. An der Stelle des ehemaligen Leprosoriums wurde die Zisterzienserinnenabtei Bonneweg gegründet. In einer Urkunde der Gräfin Ermesinde aus dem Jahr 1238 wird das Kloster erwähnt und super quadam area apud Bonnevege in qua leprosi quondam manserunt.
Urkundliche Ersterwähnung
1238: in einer Urkunde der Gräfin Ermesinde wird der ehemalige Standort des Leprosoriums in Bonneweg genannt.
Gebäude
Zum Leprosorium gehörten eine Kapelle und ein Friedhof. Auf dem Deventer Plan aus der Mitte des 16. Jhs. sind eine Reihe kleiner Wohnhäuser an der Straße vom Siechtor bis zur Leprosenkapelle und im dort abzweigenden sog. Siechengrund erkennbar. Sie wurden wahrscheinlich von den Leprosen bewohnt. 1739 erlaubt die Stadt der Pfarrei Weimerskirch, für eine Leprose aus Dommeldingen ein Häuschen auf dem Leprosenhof zu bauen, in der Art wie das zuletzt dort errichtete. Dieses sollte nach dem Tod der Frau an die Stadt fallen.
Kapelle
Auf dem Deventer-Plan sind das Leprosorium und die zugehörige Kapelle verzeichnet.
Seelsorge
Es gab einen Pfarrer eigens für die Seelsorge der Leprosen; später hatten die Dominikaner das Recht der Seelsorge. In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. wurde dieses Recht durch den Pfarrer von Weimerskirch bestritten. Beim Tod eines Insassen stand dem Pfarrer der Herkunftsgemeinde als Seelrecht das Bett sowie die Töpfe und Pfannen des Verstorbenen zu. Nach einem Prozeß vor dem Provinzialrat, ausgelöst durch die Weigerung des Leprosenhof-Verwalters, die Besitzungen einer Verstorbenen an den Pfarrer von Mamer abzutreten, wurde bestimmt, daß sich die Pfarrer zukünftig mit dem gewöhnlichen Seelrecht begnügen müßten.
Insassen
1490/91: Zahlung einer Gebühr von 21 Groschen und 4 Pfennigen durch die Stadt für die Aufnahme einer leprosen Frau "umb das sy dasselbe armoit halben nit doin moicht und die leprosen sie sunder ir recht nit ufnehmen wulden"; 1732/1733: Die Aussätzige Elisabeth Grassers aus Kopstal wohnte auf dem Siechenhof; 1739: Aufnahme einer Leprosen aus Dommeldingen, die am 29. April dieses Jahres durch die Feldscherer Grasser und Keller für aussätzig erklärt worden war; 1788: Einweisung einer Witwe ins Leprosorium.
Verwaltung
Ursprünglich Verwaltung durch zwei Momper, Oberaufsicht durch die Stadt; ab 1770: Verwaltung durch den Magistrat; 1781: Der ehemalige Siechenhof mit Kapelle, der Kirchhof und die angrenzenden Gärten gehörten der Stadt.
Statuten
6. Oktober 1531: Erlaß Karls V. zur Erneuerung alter Bestimmungen über die Kleidung der Leprosen; 1651: Bestimmung des Provinzialrats, daß Aussätzige nur zu bestimmten Gelegenheiten die Stadt betreten durften und dann einen Sicherheitsabstand zu Menschen und Häusern einhalten mußten.
Lepraschau
1390: zwei Bürger, beides Schuster, reisten in diesem Jahr zur Lepraschau nach Lüttich; begleitet wurden sie jeweils von einem Beauftragten der Stadt, die auch für dessen Kosten aufkam. In der Regel wurde vom Magistrat bei Reisen lepraverdächtiger Bürger zur Lepraschau eine Begleitperson mitgeschickt und bezahlt, so 1465/66: "Knoitgen Werner Schoinlepper zur proiffen foirt, cost 16 gr."; 1471/72: "Geben Tilman dem boeden, das er Fliegenfenger zu der prueffen gefuert hait van geheische des richters 10 gr."; 1475/76: "Geben Michel dem boden, umb daz er gerieden ist mit luden zu der prouben zu Triere, 24 gr.";
1477/78: "Ussgeven Wynnant dem boden den man schickt mit Michel von Altzingen zur proiffen gehen Trieren, 11gr. 8d."; 1478/79: "Geben Wynant dem boden, N. Lampach zu der prouven zu Sankt Jost by Trieren zu foeren und alda sin antwort zu warten und herheym zu brengen, 11 gr. 8d.". 1487: 3 gulden 26 gr. 8d für die Verpflegung zweier zu besehender Bürger und als Lohn für den begleitenden Boten, sie wurden von der dortigen Kommission für "rein" befunden; 1490/91: "Geben dorch bevele riechter und geriechtes Barthel dem gesworen geriechtes boden, das er mit Johann Kuches huesfrauwe zu Trieren zu sent Joist zur prufen von der stedde wegen gangen ist, 16 gr."; 1604: Eine sieche Frau hatte sich in Köln-Melaten besehen lassen und erhielt dort zur Rückreise ins Herzogtum Luxemburg eine "Beisteuer von 20 Mark".
Es bestand die Möglichkeit, das Untersuchungsergebnis einer Lepraschau vor dem Provinzialrat anzufechten. So kam es dort 1514 zu einem Prozeß zwischen Collard Beruel und der Pfarrgemeinde St. Mard. Collard Beruel war von der Untersuchungskommission in Trier Sankt Jost für aussätzig erklärt worden und hatte gegen das Urteil an den Papst appelliert. Dieser hatte darauf den geistlichen Richter von Verdun mit der Entscheidung betraut. Da die Pfarrgemeinde die Appellation ablehnte, zur Verhandlung nicht erschienen war und deshalb exkommuniziert worden war, hatte sie sich an den Provinzialrat gewandt.
Dieser entschied, dass Collard Beruel in Begleitung von einem oder zweier Gemeindemitglieder wahlweise nach Köln oder Lüttich zu einer erneuten Besehung gehen sollte. Sollte Collard erneut für leprakrank erklärt werden, so fielen ihm alle Kosten zu; im entgegengesetzten Fall mußte die Pfarrgemeinde alle Kosten bezahlen. Collard Beruel fügte sich dieser Entscheidung des Provinzialrates nicht und wurde deshalb am 5. Mai 1515 zur Zahlung von 25 Goldgulden verurteilt. Außerdem mußte er sich zukünftig von den Gemeindemitgliedern fernhalten.
Seit dem Beginn des 16. Jhs. sollte die Lepraschau für Aussätzige des Hzgts. nur noch im Luxemburger Leprosorium vorgenommen werden.
Leprosenbruderschaft
Der Luxemburger Siechenhof war Sitz der Leprosenbruderschaft des Hzgts. Luxemburg. 1512: Trennung von der Kieler- und Bettlerbruderschaft zu Trier, da den Leprosen des Hzgts. dort, wie sie selbst angaben, "Unrecht zugefügt worden war". 1514: Unter Leitung der Dominikaner Gründung der Leprosen- und Bettlerbruderschaft des Hzgts. Luxemburg und Bestätigung durch den Provinzialrat.
An ihrer Spitze stand ein Brudermeister mit sieben Beisitzern; diesem Gremium unterstand jedoch nicht die Verwaltung des Leprosoriums. Gleichzeitig bestimmte der Provinzialrat, daß die Lepraschau für alle Lepraverdächtigen des Hzgts. nur noch auf dem Luxemburger Siechenhof durchgeführt werden durfte und daß zukünftig alle Leprosen des Hzgts. nur noch hier wohnen sollten.
Schließung
Um 1800: Übertragung der Besitzungen an das Waisenhaus. Die Kapelle wurde 1982 gründlich renoviert und dient heute als Friedhofskapelle.
Literatur
Franz/Kugener, Armenfürsorge (Luxemburg), 10-12;
Frohn, Aussatz (Rheinland), 109-113;
Irsigler/Lasotta, Bettler und Gaukler, 72;
Pauly, Institutions hospitalières (Luxembourg), 118f.;
Pier, Leproserie und Zisterzienserinnen, 1;
Staerk, Gutleuthäuser, 540;
van Werveke, Leproserie, 601-606;
Weicherding-Goergen, Chapelle du Siechenhof, 268-274.